Darum ist Bauchspeicheldrüsenkrebs so aggressiv

Deutsche Wissenschaftler haben eine Verdoppelung von Genen als Ursache für die meist tödliche Krebsform entdeckt.

, 30. Januar 2018 um 16:33
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Bauchspeicheldrüsenkrebs zählt zu den Krebserkrankungen mit der weltweit höchsten Sterblichkeit. Warum diese Krebsform so aggressiv ist und es so früh und schnell zu Metastasen kommt, konnte bislang allerdings nicht geklärt werden. 
Ein Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) ist einer Antwort einen wichtigen Schritt näher gekommen. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass diese Eigenschaften durch bestimmte Vedoppelungen von Genen erklärt werden können. Ihre Arbeit wurde im Fachjournal «Nature» veröffentlicht. 
Gesunde Zellen in Menschen haben von jedem Gen zwei Kopien. Für ihre Experimente mutierten die Wissenschaftler eine der beiden Kopien des Kras-Gens in Mäusen. Dieses Gen spielt bei der Zellvermehrung eine wichtige Rolle und ist in 90 Prozent aller Bauchspeicheldrüsentumore aktiviert. 

Gene werden vervielfältigt 

Dabei machten sie eine überraschende Entdeckung: Das mutierte Gen wurde häufig bereits in sehr frühen Vorstufen des Krebses vervielfältigt. Hatte ein Tumor die mutierte Kras-Genkopie nicht verdoppelt, entdeckten die Forscher Vervielfältigungen in anderen Krebsgenen.
«Es scheint so als müsste die Zelle das Wachstumssignal durch die zusätzlichen Gen-Kopien erhöhen. Dieses Modell der Dosisverstärkung während der Tumorentwicklung wurde bisher nicht berücksichtigt», sagt Sebastian Müller, Erstautor der Studie, in einer Mitteilung. Er fügt hinzu: «Wir konnten zusätzlich zeigen, dass bei erhöhter Zahl der mutierten Kras-Kopien die Aggressivität und die Fähigkeit zur Metastasierung zunahmen.»
Durch das Modell der Dosisverstärkung lassen sich erstmals genetische Muster festlegen, die dessen Aggressivität und Metastasierung erklären.
Sebastian Mueller et al.: «Evolutionary routes and KRAS dosage define pancreatic cancer phenotypes» - in: «Nature», 24. Januar 2018

Störung körpereigener Schutzmechanismen

Normalerweise haben gesunde Zellen eigene Schutzmechanismen, damit sich Mutationen nicht anhäufen. Die Forscher fragten sich deshalb, warum und wie die Zellen diese Dosisverstärkung überhaupt schaffen, ohne daran gehindert zu werden. Auch das konnten sie im Mausmodell nachvollziehen.
Nach der hervorgerufenen Kras-Mutation entstanden zunächst weitere Mutationen in so genannten Tumorsuppressorgenen. Damit die Entwicklung einer Tumorzelle verhindert wird, besitzt eine gesunde Zelle eine ganze Reihe solcher schützender Gene.
Je nachdem welches Tumorsuppressorgen betroffen war und wie stark dessen Funktion beeinträchtigt wurde, wird entweder das mutierte Kras-Gen oder ein anderes Krebsgen vervielfältigt. Das Fazit der Forscher: Erst durch das Ausschalten der zelleigenen Schutzmechanismen und die darauffolgende «Dosisverstärkung» kann am Ende ein Tumor entstehen. Welchen Weg die Zelle dabei einschlägt und welche Gene beteiligt sind, bestimmte dann maßgeblich die Eigenschaften des Bauchspeicheldrüsentumors. 

Radioaktive Therapie von Novartis

Das Medikament Lutathera wird zur Behandlung von bestimmten Tumoren des Verdauungstrakts eingesetzt. Nun hat es von der US-Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) den Status eines «Orphan Drug» erhalten zur Behandlung einer Krebsart, die selten vorkommt.
Es handelt sich um so genannte gastroenteropankreatischen neuroendokrinen Tumoren (GEP-NET) - jener Krebsart, an der laut US-Medienberichten Apple-Gründer Steve Jobs im Jahr 2011 gestorben ist.
Die FDA schätzt, dass jährlich eine von 27'000 Personen an GEP-NET erkrankt. GEP-NETs können in der Bauchspeicheldrüse und in verschiedenen Stellen des Darmtrakts und dem Magen vorkommen.

Erste radioaktive Therapie

Es ist laut einer FDA-Mitteilung das erste mal, dass eine so genannte Peptin-Rezeptor-Radionuklid-Therapie zugelassen wurde. Diese Therapie enthält ein Zielmolekül mit einer radioaktiven Komponente. Dabei wird ein radioaktives Isotop - in diesem Fall Lutetium-177 - in die Tumorzellen geschleust und ein sofortiges Zellsterben eingeleitet. 
Das Präparat wurde vom französischen Krebsspezialisten Advanced Accelerator Applications (AAA) entwickelt. Novartis hat die Firma erst kürzlich für 3,9 Milliarden Dollar übernommen.
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