Arztrechnungen sollen per App lesbar werden

Deutsch und deutlich statt Mediziner-Latein: Die ZHAW arbeitet an «Übersetzungs»-Hilfen, die bald jeder Patient verwenden könnte.

, 23. September 2016 um 04:00
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Das Projekt wurde im Mai angekündigt: Die Suva will, dass die Schweizer Patienten ihre Arztrechnungen selber kontrollieren können – dank Übersetzung per App. Das soll ein Gespräch zwischen Arzt und Patient auf Augenhöhe erleichtern, und die einfachere Kontrolle soll auch ein bisschen helfen, das Gesundheitssystem finanziell ein bisschen zu entlasten.
Dazu wird derzeit eine Software entwickelt, welche die Übersetzungs-Arbeit leistet. Mit an Bord beim Projekt ist die Elco Informatik AG sowie die ZHAW.
Die Hochschule berichtet nun von ihrer Arbeit daran – eine Arbeit, die sich stark darum um die Frage dreht, wie sich solche Rechnungen übersetzen lassen. Und wie sie übersichtlicher dargestellt werden können (zur Mitteilung der ZHAW).

Erst übersetzen, dann umgruppieren

Worum geht es konkret? Auf einer Arztrechnung taucht beispielsweise die Position «Aktivierte partielle Thromboplastinzeit» auf, für 8,70 Franken. Nun haben die ZHAW-Linguisten solche Begriffe wie Thromboplastinzeit als auch Medikamentennamen laienverständlich «übersetzt». Zugleich schufen sie ein neues Kategoriensystem mit einer übersichtlichen Anordnung für die Rechnungen.
Dabei werden ärztliche Leistungen nicht mehr alle nacheinander detailliert in achtzehn Spalten einer Liste aufgeführt, sondern gruppiert und gewichtet. Damit ist der Punkt «Aktivierte partielle Thromboplastinzeit» neu unter der Hauptkategorie «Labor» als «Blutuntersuchung» zu finden.
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«Übersetzungsleistung»: Ärztliche Leistungen nicht mehr in achtzehn Spalten aufgeführt, sondern sprachlich angepasst, zusammenfasst, gruppiert und gewichtet (ZHAW)
Zwar können nicht alle 4'000 Tarmed-Begriffe, die Spezialitätenliste des Bundes plus die rund 20'000 Medikamente laienverständlich übersetzt werden. Aber das ZHAW-Team will die häufigsten übersetzen und damit etwa 95 Prozent der Fälle abdecken.
Das ZHAW-Team erforschte den Laien-Medizinwortschatz in Onlineforen quantitativ. «Das erstaunlichste Ergebnis war, dass Patienten zwar nicht über eine Fachsprache im engeren Sinne verfügen, aber über einen Laienfachwortschatz, der die Krankheitserfahrung sehr gut auf den Punkt bringt», sagt Projektleiter Felix Steiner zur Übersetzungsarbeit. Krebspatienten würden zum Beispiel Wörter wie «Knubbel» verwenden, wenn noch keine Diagnose durch Experten gestellt ist.
Aufgrund der Erfahrungen und Beschreibungen von Patienten legten die Forschenden auch acht Kategorien für die Leistungen fest: Untersuchungsgespräche, Untersuchung, Leistungen in Abwesenheit des Patienten, Material, Pauschalen, Medikamente und Labor.
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Ziel: Rechnung übersetzt via App (ZHAW)
Die Forschungsresultate fliessen nun ein in die neue Software, welche voraussichtlich ab Ende 2016 die unverständlichen Tarmed-Arztrechnungen automatisch in einen laienverständlichen Text übersetzt und die Leistungen übersichtlich zusammenfasst, gruppiert und gewichtet.
Die laienverständlichen Arztrechnungen können dann online als PDF-Format generiert werden. Oder per Smartphone kann eine Tarmed-Arztrechnung abfotografiert werden, die dann dank einer App automatisch «übersetzt» und für die Lektüre am kleinen Bildschirm dargestellt wird.
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