27 Prozent erleben während der Geburt informellen Zwang

Eine Studie der Berner Fachhochschule mahnt zu Verbesserungen bei der Geburt und der Nachsorge.

, 26. Oktober 2020 um 07:45
image
  • geburtshilfe
  • hebammen
  • spital
  • studie
Die Geburt ist für die Gebärenden ein enorm intimer, persönlicher und wichtiger Moment. Nun zeigt eine Studie der Berner Fachhochschule, dass mehr als ein Viertel der Frauen berichten, dass sie während der Geburt informellen Zwang erfahren haben. Sie waren also etwa mit geburtshilflichen Eingriffen nicht einverstanden oder fühlten sich unter Druck gesetzt oder eingeschüchtert, um ihre Zustimmung zu bestimmten Massnahmen zu erteilen. Das schreiben die Autorinnen und Autoren im am Montag veröffentlichten Preprint
Auch bei natürlichen, vaginalen Geburten gaben viele Frauen diese Rückmeldungen. Noch gehäufter als problematisch empfunden werden ungeplanter Kaiserschnitte, Notfall-Kaiserschnitte, instrumentelle vaginale Geburten und Fälle, in denen die Geburt künstlich eingeleitet wird. Insgesamt gaben 27 Prozent der Frauen gaben an, unter einer Form von Zwang gestanden zu haben. 
Unter den Frauen, die Zwang erlebten, sagen über 40 Prozent, während der Geburt zu wenig gut informiert worden zu sein. Besonders problematisch: Zehn Prozent der Frauen, die Zwang erlebten, sagen, eine Intervention sei trotz ihrer Gegenwehr durchgeführt worden.
image

Schwerwiegende FolgenDie Folgen von informellem Zwang sei mit einem erhöhten Risiko einer Wochenbettdepression verbunden, schreiben die Autorinnen und Autoren. Es sei «daher unerlässlich, alle Anstrengungen zu unternehmen, um informellen Zwang zu verhindern.» Eine «verstärkte Konzentration auf eine sensible Nachsorge für alle frischgebackenen Mütter würde es dem Vertreter des Gesundheitswesens ermöglichen, Frauen, die informellen Zwang erfahren haben, aufzuspüren und Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um traumatische Auswirkungen zu verhindern.» Um die Erfahrungen bei der Geburt zu verbessern, sei eine gut informierte und einfühlsame Debatte über die Geburt und über geburtshilfliche Eingriffe und deren Folgen notwendig. Die Studie zeigt auch: Nur knapp die Hälfte der Frauen (48 Prozent) wird mit einem Nachgespräch betreut. 80 Prozent der Frauen empfand dieses als nützlich.Viele Frauen ziehen positives Fazit71 Prozent der Frauen bewerteten ihr Geburtserlebnis als «überwiegend positiv». Bei einer nicht-instrumentellen vaginalen Entbindung (ohne Saugglocke oder Geburtszange) oder einem geplanten Kaiserschnitt waren es sogar 80 Prozent, schreiben die Autorinnen und Autoren. Von den Frauen, die per Notkaiserschnitt gebären mussten, fanden 64 Prozent die Geburt als «überwiegend negativ» - bei Frauen, die informellen Zwang erlebten zogen 52 Prozent ein negatives Fazit.

image

Weitere positive Rückmeldungen

Die Befragung zeigt zudem, dass sich vor der Geburt 87 Prozent der Frauen wünschten, Entscheidungen gemeinsam mit dem medizinischen Personal zu fällen. Die Befragung zeigt auch, dass dies dann auch während der Geburt eine überwiegende Mehrheit letztlich auch so erlebt.
image
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Kantonsspital Aarau: Mehr Betten im Neubau

Wegen einer «unverändert hohen Patientennachfrage» plant das KSA nun doch mehr Betten.

image

Hirslanden: Umbau an der Spitze – näher zu den Regionen

Hirslanden-Zürich-Direktor Marco Gugolz zieht als Regional Operations Executive in die Konzernleitung ein.

image

Was geschieht mit dem Spital Thusis?

Die Stiftung Gesundheit Mittelbünden sucht Wege aus der finanziellen Krise – beraten von PwC. Ein Entscheid soll im Herbst fallen.

image

CSEB: «Herausfordernd, aber zufriedenstellend»

Trotz roten Zahlen und leicht rückläufigen Patientenzahlen gibt sich das Center da sandà Engiadina Bassa optimistisch.

image

Spital STS: Hohe Patientenzahlen bewahren nicht vor Verlust

Sowohl stationär als auch ambulant gab es bei der Spitalgruppe Simmental-Thun-Saanenland 2023 einen Zuwachs.

image

Spital Lachen bricht Neubau-Projekt ab

Nun soll saniert statt neu gebaut werden – aus finanziellen Gründen, aber auch wegen der Flexibilität.

Vom gleichen Autor

image

Covid-19 ist auch für das DRG-System eine Herausforderung

Die Fallpauschalen wurden für die Vergütung von Covid-19-Behandlungen adaptiert. Dieses Fazit zieht der Direktor eines Unispitals.

image

Ein Vogel verzögert Unispital-Neubau

Ein vom Aussterben bedrohter Wanderfalke nistet im künftigen Zürcher Kispi. Auch sonst sieht sich das Spital als Bauherrin mit speziellen Herausforderungen konfrontiert.

image

Preisdeckel für lukrative Spitalbehandlungen?

Das DRG-Modell setzt Fehlanreize, die zu Mengenausweitungen führen. Der Bund will deshalb eine gedeckelte Grundpauschale - für den Direktor des Unispitals Basel ist das der völlig falsche Weg.