Künstliche Intelligenz: Ärzte setzen Fragezeichen – und stellen Forderungen

Sie verändert das Gesundheitswesen «tiefgreifend» und fordert heraus: die künstliche Intelligenz. Die FMH will diesen Wandel begleiten und setzt mit einer Broschüre ein Zeichen.

, 21. September 2022 um 13:17
image
Künstliche Intelligenz gehört inzwischen zu unserem Alltag. | Symbolbild Pixabay
Spracherkennung, Musikstreaming, autonome Fahrzeuge oder Navigationssysteme: künstliche Intelligenz (KI) ist in unserem Alltag allgegenwärtig. Mehr noch: Sie hat das Potenzial alle Lebensbereiche zu verändern. Es ist deshalb vorstellbar, dass KI-Anwendungen künftig den Menschen von seiner Entstehung bis hin zum Tod in allen Belangen seiner Gesundheit begleiten werden. In der Medizin können bereits heute KI-fähige Werkzeuge in fast jedem Bereich angewendet werden, einschliesslich
  • Arzneimittelentwicklung,
  • Behandlungsentscheidungen,
  • Patientenversorgung sowie
  • finanzielle und betriebliche Entscheidungen.
Künstliche Intelligenz kann Ärztinnen und Ärzten also Routineaufgaben abnehmen aber auch bei komplexen medizinischen Aufgaben unterstützen. So kommt KI in vielen medizinischen Fachdisziplinen zum Einsatz, etwa in der Radiologie, der Chirurgie, Kardiologie oder in der Psychiatrie-Psychotherapie.
Doch ist die künstliche Intelligenz Freund und Helfer der Ärzteschaft? Welchen Nutzen können Ärzte erwarten? In welchen Bereichen machen sie überhaupt Sinn? Diese und weitere Frage stellt sich Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte, kurz FMH.
Die Medizin stehe vor einem tiefgreifenden Wandel: ein Prozess, der die Ärzteschaft vor verschiedene Herausforderungen stelle, schreibt die FMH in einer Mitteilung an die Medien. Diesen Wandel will die FMH von Anfang an begleiten, aber auch mitgestalten, und setzt mit der neuen Broschüre «Künstliche Intelligenz im ärztlichen Alltag» ein erstes Zeichen.

Zehn Forderungen an die KI

Die Broschüre soll einen Überblick über Methoden, Nutzen, Anwendungsbeispiele und Herausforderungen der künstlichen Intelligenz im Gesundheitswesen bieten, aber auch den damit verbundenen Wandel des ärztlichen Berufsbildes skizzieren.
Ein wichtiger Teil der Broschüre sind die zehn formulierten Forderungen. Sie betreffen KI-Systeme, die zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken herangezogen werden und damit das Potenzial haben, ärztliche Kerndienstleistungen zu ersetzen.
Wichtig sind diese Forderungen deshalb, weil es bis heute keine Gesetze oder international einheitliche Richtlinien für die Regulierung des Einsatzes von KI in der Medizin gibt, auch wenn diverse Behörden und Organisationen an entsprechenden Regeln arbeiten.
Welche rechtlichen Ansätze zur Regulierung von KI-Systemen verfolgt werden sollten, wird auch in der Schweiz diskutiert. Mit Forderungen wie
  • KI-Systeme sollen die Ärzte-Patienten-Beziehungen stärken, nicht ersetzen,
  • Ärztinnen und Ärzte sollen über ausreichende Aus-, Weiter- und Fortbildungsangebote zum Umgang mit KI verfügen,
  • die Ärzteschaft soll über den Einsatz von KI-Systemen, die im Hintergrund arbeiten, informiert werden,
will die FMH die Diskussionen mitprägen und definieren. Für die FMH ist klar: Der Nutzen für Ärzte von KI liege primär in technischen und methodischen Optimierungen von Entscheidungsprozessen vor, während und nach der Behandlung. Auch könne KI den Aufwand von sich wiederholenden administrativen Arbeitsabläufen reduzieren.

Eine Rollenteilung

Eine vollständige Übernahme der ärztlichen Aufgaben durch KI sei aber kaum realistisch. «Wenn KI dereinst administrative und medizinische Aufgaben meistert, können sich Ärzte anspruchsvollen Aufgaben widmen, die nicht von einer Maschine übernommen werden können», heisst es.
Die Rollenzuweisung zwischen Ärzten und KI sei somit die Grundlage des zukünftigen Berufsbilds. «Ärztinnen und Ärzte sollten diesen Prozess aktiv mitgestalten und sich diesem Wandel mit einer positiven Grundhaltung stellen.»
  • ärzte
  • fmh
  • künstliche intelligenz
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Der Erfinder des Ledermann-Implantats ist tot

Er war ein bekannter Implantologe, später auch Hotelier und Schriftsteller. Nun ist Philippe Daniel Ledermann 80-jährig gestorben.

image

KI überwacht das Herz – über den Klang der Stimme

Die Charité und die Mayo Clinic erforschen einen neuen Weg in der Herzdiagnostik.

image

Künstliche Intelligenz erkennt Herzfehler bei Neugeborenen

Ein bestimmter schwerer Herzfehler bei Neugeborenen lässt sich im Ultraschall-Bild erkennen: mit einem speziellen Computerprogramm.

image
Gastbeitrag von Peter Baumgartner

Ambulante Psychiatrie: Ohne neue Berufsprofile und KI wird’s kaum gehen

Der Fachkräftemangel in der Psychiatrie verlangt einen massiven Umbau der Versorgung. Aber wie? Ein realistisches Zukunftsszenario.

image

Ärzte in der Krise: Immer mehr suchen Unterstützung

Zu viel Arbeit, Burn-Out, Angst, Selbstzweifel und Depression: Das sind die fünf Hauptgründe für Ärzte und Ärztinnen, sich Hilfe bei der Remed-Hotline zu holen.

image

Digitalisierung: Die Patienten wären bereit

Das Gesundheitspersonal ebenfalls. Insgesamt sind die Voraussetzungen für den digitalen Wandel des Gesundheitswesens besser als gedacht – sagt eine neue Ökonomen-Studie.

Vom gleichen Autor

image

Kinderspital verschärft seinen Ton in Sachen Rad-WM

Das Kinderspital ist grundsätzlich verhandlungsbereit. Gibt es keine Änderungen will der Stiftungsratspräsident den Rekurs weiterziehen. Damit droht der Rad-WM das Aus.

image

Das WEF rechnet mit Umwälzungen in einem Viertel aller Jobs

Innerhalb von fünf Jahren sollen 69 Millionen neue Jobs in den Bereichen Gesundheit, Medien oder Bildung entstehen – aber 83 Millionen sollen verschwinden.

image

Das Kantonsspital Obwalden soll eine Tochter der Luks Gruppe werden

Das Kantonsspital Obwalden und die Luks Gruppe streben einen Spitalverbund an. Mit einer Absichtserklärung wurden die Rahmenbedingungen für eine künftige Verbundlösung geschaffen.