Kinderarzt kritisiert: Zu viel Alarm nur wegen Schnupfen

Immer mehr Eltern überfüllen Notfälle und Praxen – nur weil ihr Kind Schnupfen hat. Ein Kinderarzt fordert mehr Geduld.

, 21. Dezember 2022 um 09:30
image
Fieber bei Kindern ist kein Grund, gleich in die Arztprasxis zu gehen, sagt ein Kinderarzt. | Kelly Sikkema/Unsplash
Stefan Roths Praxis stösst an Grenzen: «Seit Wochen ist es voll, voll, voll», sagt der Könizer Kinderarzt und Co-Präsident der Berner Haus- und Kinderärzteschaft gegenüber der «Berner Zeitung». Das Problem sind einerseits Viren, anderseits aber auch Eltern, die sich zu schnell aufregen.

Die Viren

Es gibt diesen Winter eindeutig mehr Infektionen mit dem RS-Virus, das Bronchitis verursacht. Roth vermutet, dass es nach der Pandemie einen Nachholeffekt gebe: Viele Kinder hätten wohl den Erstkontakt mit diesen Viren verpasst, weil während der Pandemie weniger Viren im Umlauf waren.

Die Eltern

Aber auch die Eltern seien an den überfüllten Wartezimmern schuld, glaubt Stefan Roth. «Mein Eindruck ist, dass viele Eltern noch schneller als früher direkt zum Arzt gehen oder gar in den Notfall rennen, wenn ihr Kind einmal Schnupfen hat.» Roth findet, dass wir verlernt hätten, krank zu sein.
Bei Kindern zeigt sich das besonders. Wenn keine Betreuung verfügbar ist, muss ein Elternteil zuhause bleiben. Also müsse das Kind aus Sicht der Eltern möglichst gar nicht oder wenn, dann möglichst nur kurz krank sein – für Roth eine bedenkliche Entwicklung.

Egal welches Virus

Er stellt auch einen gewissen Alarmismus bei vielen Eltern fest. Sie wollten sofort wissen und abklären lassen, weshalb ihr Kind Schnupfen oder Fieber hat. Dabei sei es in den meisten Fällen egal, ob die Symptome nun durch ein Grippe-, ein RS-, ein Corona- oder ein anderes Virus ausgelöst worden sind.
Aus diesem Grund verzichten die meisten Kinderärzte auch auf einen Abstrich. Er ist nicht nötig, weil für die Kinder viele Infektionskrankheiten etwa dasselbe bedeuten. Nur die Erwachsenen hätten das immense Bedürfnis, ihnen einen Namen zu geben, stellt Stefan Roth fest.

Honigmilch und Wadenwickel

Der Kinderarzt empfiehlt deshalb statt eines übereifrigen Arztbesuchs vor allem Nähe, Zuwendung, Ruhe und ein paar Hausmittel wie Honigmilch, Honigtee, Wadenwickel, allenfalls fiebersenkende Medikamente.
  • ärzte
  • kinder- und jugendmedizin
  • rsv
  • Corona
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Ärztemangel: Bern drohen weitere Versorgungsengpässe

Auch Fachgebiete wie die Endokrinologie, Gynäkologie und Rheumatologie sind zunehmend betroffen. Das zeigen aktuelle Zahlen der Ärztegesellschaft des Kantons Bern.

image

SAMW: Drei neue Ehrenmitglieder

Der Senat wählte zudem Arnaud Perrier zum neuen Präsidenten der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften.

image

Aargauischer Ärzteverband: Neuer Präsident

Der Nachfolger von Jürg Lareida heisst Thomas Ernst.

image

Das sind die SGAIM-Preisträger

Die Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin hat fünf Projekte mit Fokus «Sonografie» ausgezeichnet.

image

Hausarzt wehrt sich gegen Klima-Behauptungen

Ein Zeitungsartikel suggeriert, dass wir uns zwischen Gesundheit und Klimaschutz entscheiden müssten. Ein Arzt aus dem Emmental widerspricht.

image

Verurteilt: Berner Pflegefachfrau gibt sich als Ärztin aus

Im heimischen Sprechzimmer stellte sie Atteste aus und versuchte sich als Ärztin. Damit reiht sie sich ein in eine lange Liste von «Hochstaplern in Weiss».

Vom gleichen Autor

image

SVAR: Neu kann der Rettungsdienst innert zwei Minuten ausrücken

Vom neuen Standort in Hundwil ist das Appenzeller Rettungsteam fünf Prozent schneller vor Ort als früher von Herisau.

image

Kantonsspital Glarus ermuntert Patienten zu 900 Schritten

Von der Physiotherapie «verschrieben»: In Glarus sollen Patienten mindestens 500 Meter pro Tag zurücklegen.

image

Notfall des See-Spitals war stark ausgelastet

Die Schliessung des Spitals in Kilchberg zeigt Wirkung: Nun hat das Spital in Horgen mehr Patienten, macht aber doch ein Defizit.