Das Problem ist bekannt: Hausärzte und Hausärztinnen verdienen im Vergleich zu Fachärzten zu wenig. Der Waadtländer SVP-Nationalrat Jacques Nicolet will dieses Problem mit einem unkonventionellen Vorschlag beheben.
In einer
Motion forderte Nicolet den Bundesrat auf, das Krankenversicherungsgesetz (KVG) so anzupassen, dass Hausärztinnen und Hausärzte einen besseren Einzelleistungstarif erhalten – und zwar kostenneutral.
Dem Waadtländer Landwirt – oder wer auch immer die Motion verfasst hat – dürfte bewusst sein, dass es Sache der Tarifpartner ist, die Tarife festzulegen und anzupassen. Doch wie Nicolet in seiner Begründung ausführt, sind die Ärzteverbände «kaum in der Lage, einen solchen notwendigen Ausgleich zu erreichen, ohne Streitigkeiten in den eigenen Reihen zu provozieren.»
Entscheid wohl am Mittwoch
Der Nationalrat scheint diese Ansicht zu teilen und stimmte in der letztjährigen Sommersession der Motion zu. Auch die vorberatende Kommission des Ständerats empfiehlt deren Annahme. Die endgültige Entscheidung liegt nun bei der kleinen Kammer: Der Ständerat entscheidet am Mittwoch darüber.
Der Bundesrat unterstützt das Anliegen des SVP-Nationalrats, die Vergütung der Hausarztmedizin unter Wahrung der Kostenneutralität zu erhöhen. Eine Gesetzesänderung im KVG erachtet er aber als unnötig. Schon heute verfügt die Landesregierung über eine subsidiäre Kompetenz zur Festlegung der Tarife. Beim Tarmed habe er davon 2014 und 2018 Gebrauch gemacht, so der Bundesrat: «In beiden Fällen wurden Massnahmen im Interesse der Hausärztinnen und Hausärzte getroffen.»
«Es ist bedenklich, dass erneut versucht wird, auf unbefriedigende Situationen mit einer weiteren Regulierung zu reagieren.» — Willy Oggier, Gesundheitsökonom.
Wenig überraschend findet auch der Krankenkassenverband Prio.Swiss den Weg für eine sachgerechte Vergütung über neue gesetzliche Regelungen als nicht zielführend. Er verweist auf den neuen Arzttarif Tardoc sowie auf die geplanten ambulanten Pauschalen, die den veralteten Tarmed ablösen sollen und eine bessere Vergütung der ärztlichen Grundversorgung vorsehen.
Auch Gesundheitsökonom Willy Oggier hält nichts von diesem Ansinnen. «Es ist bedenklich, dass erneut versucht wird, auf unbefriedigende Situationen mit einer weiteren Regulierung zu reagieren», erklärt er. Der Staat habe bereits mehrfacht zugunsten der Hausärztinnen und Hausärzte eingegriffen.
Für Oggier ist dies ein weiterer Beweis dafür, dass Re-Regulierungen als Folge von Schwächen bei der Regulierung selten zielführend sind.
Veraltete Vorstellungen
«Wenn es wirklich um Anreize gehen soll, dann wäre statt Regulierung genau das Gegenteil nötig: die Einführung der Vertragsfreiheit.» Sollte der viel zitierte Versorgungsengpass entstehen, so würden die Preise bei Vertragsfreiheit dort steigen, wo die Unterversorgung am grössten zu werden droht – unabhängig davon, ob es sich um Hausärzte oder Spezialärztinnen handelt.
Der Nationalrat hatin der zweiten Sessionswoche zwar nicht einer Vertragsfreiheit, aber zumindest einer Lockerung des Vertragszwangs zugestimmt.
Oggier hält den Vorstoss auch gesundheitsökonomisch betrachtet nicht zukunftsweisend, da er sich nur auf die Einzelleistungstarife einer medizinischen Berufsgruppe konzentriert.
Zudem suggeriere der Vorstoss, dass Hausärztinnen und Hausärzte die Grundversorgung sichern und die Spezialärzte die – mindestens tariflich gesehen – die «Bösen» sind. Beides deute auf eine antiquierte Vorstellung von Medizin hin.
Mit der Annahme der einheitlichen Finanzierung ambulant – stationär (Efas) sollte vermehrt in integrierten Versorgungkonzepten entlang des Patientenpfads gedacht werden, betont Oggier. Diese seien interdisziplinär und interprofessionell anzugehen. Dabei müsse der Hausarzt nicht zwingend die steuernde Rolle übernehmen.