Welche Spezialisten die komplexesten Patienten behandeln

Geht es um die Patientenkomplexität, bestehen zwischen den medizinischen Fachgebieten erhebliche Unterschiede. Dies zeigt eine Studie mit mehr als 2,5 Millionen Patienten. Involviert waren neun verschiedenen Fachärztegruppen.

, 17. Dezember 2018 um 05:00
image
Die Verbreitung von Patientenkomplexität scheint in den Gesundheitssystemen weltweit zuzunehmen. Klar ist auch: Je komplexer ein Patient, desto mehr Zeit und Ressourcen sind für eine optimale Versorgung erforderlich – was wiederum Auswirkungen auf die Tarifstruktur nehmen sollte.
Doch welche Spezialisten behandeln die komplexesten Fälle? Bislang gab es nur Erfahrungswerte, empirische Daten fehlten. Diese Lücke haben nun Mediziner um Marcello Tonelli von der Universität Calgary in Kanada geschlossen. 
Die Forscher verglichen Daten von insgesamt über 2,5 Millionen Patienten zwischen 32 und 59 Jahren. Das Medianalter: 46 Jahre. Fast 22'000 Menschen sind im Analysezeitraum zwischen April 2014 und März 2015 verstorben.

Infektiologen, Nephrologen und Neurologen

Eines der Resultate: Patienten, die von Infektiologen, Nephrologen und Neurologen behandelt wurden, waren den statistischen Analysen zufolge durchweg komplexer. Patienten von Endokrinologen, Allergologen/Immunologen und Dermatologen hingegen wiesen weniger Komplexität auf.

Da es keine einheitliche Definition der Patientenkomplexität gibt, bildeten die Studienautoren die Messgrösse für die Komplexität mit neun Kriterien ab.
  • Anzahl der Begleiterkrankungen (Komorbidität)
  • Vorliegen einer psychischen Erkrankung
  • Anzahl der an der Behandlung beteiligten Ärzte aus verschiedenen Fachgebieten
  • Anzahl der an der Behandlung beteiligten Ärzten
  • Anzahl der verordneten Medikamente
  • Anzahl der Besuche in der Notaufnahme
  • Mortalität
  • Hospitalisierungsrate 
  • Rate der Unterbringung in einer Langzeitpflegeeinrichtung
Vor allem Patienten von Nephrologen kamen im Rahmen der Sensitivitätsanalysen auf die höchste Anzahl an Komorbiditäten. Sie nahmen zudem am meisten Medikamente ein und verzeichneten die höchste Sterberate sowie die höchste Platzierungsrate in einer Langzeitpflegeeinrichtung.
Die Gesamtrangliste, von der höchsten zur tiefsten Komplexität
  1. Nephrologie
  2. Infektiologie
  3. Neurologie
  4. Pneumologie
  5. Hämatologie
  6. Rheumatologie
  7. Gastroenterologie
  8. Kardiologie
  9. Allgemeiner Innere Medizin
  10. Endokrinologie
  11. Allergologie / Immunologie
  12. Dermatologie
  13. Hausarzt
image
Übersicht nach Komplexitätskriterium und Fachgebiet | Jama

Auswirkungen auf die Ausbildung

Für die Studienautoren, vorwiegend Nephrologen, sei die Rangliste weniger wichtig als die Tatsache, dass die Komplexität zwischen den einzelnen Fachgebieten stark variiere. Onkologen und Geriater wurden in der Analyse übrigens nicht berücksichtigt. Der Grund: abrechnungsspezifische lokale Aspekte.
Die Ergebnisse haben laut den Wissenschaftlern nicht nur Auswirkungen auf die Gesundheitspolitik, sondern auch auf die medizinische Ausbildung: Denn die Fähigkeiten im Umgang mit komplexen Patienten seien für manche Fachgebiete einfach wichtiger als für andere, so die Forscher. 
Marcello Tonelli, Natasha Wiebe, Braden J. Manns, Scott W. Klarenbach, Matthew T. James, Pietro Ravani, Neesh Pannu, Jonathan Himmelfarb, Brenda R. Hemmelgarn: «Comparison of the Complexity of Patients Seen by Different Medical Subspecialists in a Universal Health Care System», in: «JAMA Network Open», 30. November 2018.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Co-Creation im Gesundheitswesen

Zippsafe revolutioniert mit seinen Produkten das Gesundheitswesen. Ein platzsparendes Spindsystem optimiert Personalumkleiden, während ZippBag und ZippScan den Umgang mit Patienteneigentum verbessern. Erfahren Sie, wie die Produkte durch enge Zusammenarbeit mit Schweizer Spitälern entwickelt wurden.

image

Effiziente Desinfektion: Plastikfrei & nachhaltig

Die Bacillol® 30 Sensitive Green Tissues bieten nachhaltige und effektive Desinfektion. Sie bestehen aus 100% plastikfreien Cellulosetücher und reduzieren CO₂-Emissionen um 25% pro Packung. Mit hoher Reissfestigkeit, grosser Reichweite und Hautverträglichkeit sind sie optimal für Hygiene und Umwelt.

image

Nachhaltig: Bacillol® 30 Sensitive Green Tissues

HARTMANN erweitert sein Portfolio um die nachhaltigen Bacillol® 30 Sensitive Green Tissues. Die Tücher werden aus nachwachsenden Rohstoffen gefertigt und vereinen hohe Wirksamkeit, Materialverträglichkeit und Hautfreundlichkeit. Dabei werden Plastikabfall sowie CO₂-Emissionen reduziert.

image

Neuer Leistungsauftrag für die Oberwaid

Die Klinik Oberwaid ist neu auch mit muskuloskelettaler Rehabilitation auf der Spitalliste der Kantone St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden. So kann die Oberwaid auch in diesem Fachgebiet grundversicherte Patienten behandeln und leistet einen wichtigen Beitrag in der Region.

image

Zurück in die Vergangenheit: Spitäler wollen Geld vom Kanton

An sich sollten die Kantone ihre Spitäler nicht mehr finanzieren. Doch immer häufiger zahlen die Regierungen trotzdem – und verzerren möglicherweise den Wettbewerb.

image

Deshalb sind Ärzte vor Bundesgericht so erfolgreich

Schon wieder sind die Krankenkassen mit Rückforderungen bei Ärzten vor Bundesgericht abgeblitzt. Das höchste Gericht stützt neu die Ärzte besser.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.