Nicht zuviel, nicht zuwenig: Die optimale medizinische Versorgung ist unter Gesundheitspolitikern wie unter Ärzten ein Dauerbrenner, und gerade im letzten Jahr wurde die «Overuse» zunehmend intensiv und professionell angegangen. Am häufigsten ist dabei, dass Fachgremien selber diskutieren, welche Eingriffe und Behandlungen wohl verzicht- und einschränkbar wären.
Die Schweizer Konsumentenschutz-Organisationen drehten nun den Spiess um: Was erleben denn die Patienten? Im vergangenen Sommer startete die Stiftung für Konsumentenschutz und ihre Partner-Organisationen in der Romandie (FRC) und im Tessin (ACSI) eine Erhebung dazu.
Inzwischen sind die Ergebnisse der Online-Befragung greifbar, und sie deuten eine gewisse Skepsis an. Rund ein Viertel der Befragten gab an, selber schon unnötige Behandlungen oder Tests verordnet bekommen zu haben; in der Deutschschweiz erreichte diese Quote sogar fast ein Drittel.
Frage: Falls Sie in den letzten 2 Jahren in ärztlicher Behandlung waren, hatten Sie je den Eindruck, dass unnötige ärztlich verordnete Tests/Untersuchungen durchgeführt werden? — SKS: Deutschschweiz | FRC: Romandie | ACSI: Tessin | Grafik: SKS
Und insgesamt waren etwa drei Viertel der Befragten der Meinung, dass «ein Teil» der medizinischen Massnahmen in der Schweiz überflüssig sei.
An wem aber liegt es? Interessanterweise gingen die Sprachregionen hier auseinander. Die Deutschschweizer finden, dass inbesondere Ärzte und Patienten sich stärker bemühen müssten, um unnötige Behandlungen zu verhindern. Dagegen gewichten Personen aus der Romandie und dem Tessin die Rolle von Ärzteverbänden, Konsumenten- und Patientenorganisationen und Behörden höher.
Dabei erlebt offenbar eine grosse Mehrheiten die Kommunikation mit ihrem Arzt als gut: Zwischen rund 75 und knapp 90 Prozent finden, der Arzt habe genügend Zeit für sie und gebe auch verständliche Antworten.
Antworten auf die Frage: Haben Sie bei Arztbesuchen genügend Zeit, um alle Fragen zu stellen? SKS: Deutschschweiz | FRC: Romandie | ACSI: Tessin — Grafik: SKS
Auf der anderen Seite informieren sich die Patienten sogleich im Internet – mit klaren Mehrheiten: In der Deutschschweiz geben über 90 Prozent an, sich online über ihre Befunde zu informieren (wobei die Quote im Tessin deutlich tiefer liegt, sie erreicht hier knapp 70 Prozent).
Gewisse Zweifel zeigten sich in der Frage, wie die ärztliche Tätigkeit denn einzuschätzen sei: Als exakte Wissenschaft? Oder doch nicht ganz?
Antworten auf die Frage: Worauf beruht Ihrer Meinung nach die ärztliche Tätigkeit? — Grafik: SKS
Wir sehen: Die Patienten scheinen ein durchaus realistisches Bild der ärztlichen Kunst zu haben. Man anerkennt mit grosser Mehrheit die wissenschaftliche Basis, man ist sich aber auch bewusst, dass das medizinische Wissen eben nur «mehr oder weniger» akkurat ist.
Nur logisch (und ebenfalls realistisch) erscheint also nach allem das Ergebnis der Schlussfrage: Etwa vier von fünf der Menschen denken, dass «ein Teil der durchgeführten medizinischen Massnahmen (z.B. 20-30%) unnötig ist».
Laien tippen ähnlich wie Experten
Was lernen wir nun daraus? Dass ein gutes Viertel der Patienten schon einmal einen unnötige Behandlung erlebte – dieses Ergebnis entspricht in etwa den Aussagen anderer
Surveys (siehe etwa
hier). Interessanterweise ist die Quote an unnötigen Behandlungen, welche die befragten Laien selber erlebt hatten, etwa ähnlich hoch wie die von Experten vermutete Anteil: Laut dem Kassenverband
Santésuisse dürfen etwa 20 Prozent der Behandlungen in der Schweiz unnötig sein.
Das heisst: Die Patienten scheinen es sehr oft zu merken, wenn eine Therapie oder ein Test überflüssig ist. Die von vielen geteilte Auffassung, dass es auch stark an ihnen liegt, etwas für eine «smartere Medizin» zu tun – sie wird hier also gestützt.