Ins Geschäft mit den klinischen Tests kommt mehr und mehr Licht. Der neuste Strahl ist
Trialstracker, entwickelt an der Universität Oxford. Die Site informiert darüber, welche klinischen Studien nicht veröffentlicht wurden – und wer in diesem Bereich besonders nachlässig ist.
«Who's not sharing their trial results?», lautet – in greller Farbe – die Eingangsfrage: Wer teilt seine Testresultate nicht mit? Schliesslich wäre es eine wissenschaftliche Ehrenfrage (und in vielen Ländern gesetzlich vorgeschrieben), dass einmal gestartete klinische Versuche veröffentlicht werden – unabhängig vom Resultat.
Denn bekanntlich können die Einsichten des Versagens genauso wichtig und vielsagend sein wie ein Erfolg.
Kummerbuben Universitäten
Doch eben: Der Anspruch wird – gelinde gesagt – schlampig umgesetzt. Bei rund der Hälfte der klinischen Versuche bleiben die Ergebnisse unter Verschluss, auch in Europa, auch in der Schweiz. Interessanterweise sind staatliche und universitäre Institutionen dabei sogar nachlässiger: Die Quote der abgeschlossenen, aber nicht publizierten Studien liegt hier bei etwa 60 Prozent. Dies ist umso erstaunlicher, als diese Organisationen – im Gegensatz zur Pharmabranche – sich weniger auf Konkurrenzdruck und betriebliche Geheimhaltungs-Interessen berufen können.
Nimmt man allerdings die absoluten Zahlen, so bleiben weitaus mehr Untersuchungsergebnisse der Pharmaindustrie im Dunkeln. Zusammengefasst: Im Jahr 2014 wurden weltweit knapp 1'400 klinische Versuche abgeschlossen, ohne dass die Verantwortlichen die Ergebnisse veröffentlicht hätten.
Interessant nun, wer denn wie diszipliniert ist: Der Trialstracker listet die nach neustem Stand angekündigten Versuche auf (derzeit: Oktober 2016), und zeigt dann die Quote jener Tests, die abgeschlossen bis heute nicht veröffentlicht sind.
Auf Rang 1 der Nachlässigkeit in absoluten Zahlen: Sanofi – hier stehen von insgesamt 435 Versuchen bei 285 die Ergebnisse aus, macht eine Quote von 65 Prozent. Als nächstes folgt Novartis: 534 Versuche – und von 201 weiss man nicht, was herauskam dabei; macht eine eher tiefe Quote von 37 Prozent. Die prominente Position kommt also daher, dass Novartis überdurchschnittlich viele Tests aufstartet. Hoffmann-La Roche kommt mit 121 offenen Tests (Quote: 28 Prozent) auf Rang 15.
Nimmt man die Quoten der unveröffentlichten klinischen Versuche, so fallen diverse Schwellenländer-Institutionen negativ auf (Universität Nanjing, Universität Isfahan, aber auch diverse französische Universitäten wie jene von Caen, Saint-Etienne oder Rouen) – mit Anteilen über 85 Prozent. Sehr transparent präsentieren sich auf der anderen Seite angelsächsische Grosskonzerne wie Bristol-Myers Squibb (4,3 Prozent), Eli Lilly (5,1 Prozent), Johnson & Johnson Pharmaceutical (5,2 Prozent), Allergan (5,4 Prozent) sowie die Roche-Tochter Genentech (5,7 Prozent).
Die Schweizer Universitäten landeten derweil solide im Mittelfeld:
- Universität Zürich: 85 angekündigte klinische Versuche, 39 nicht veröffentlicht (45,9 Prozent)
- Universitätsspital Basel: 64 angekündigte klinische Versuche, 38 nicht veröffentlicht (59,4 Prozent)
- Inselspital Bern: 54 angekündigte klinische Versuche, 29 nicht veröffentlicht (53,7 Prozent)
- Hopitaux Universitaires de Genève: 49 angekündigte klinische Versuche, 24 nicht veröffentlicht (49 Prozent)
OpenTrials: Das Wikipedia für die klinische Forschung
Mitte Oktober wurde – ebenfalls in England – das Projekt
OpenTrials lanciert. Die neue Site versteht sich quasi als Suchmaschine oder Lexikon zum Thema klinische Forschung: Alle verfügbaren Informationen aus und über geplante, laufende und vergangene Studien sollen hier gesammelt werden.
Ob publizierte Arbeiten, Pressecommuniqués, Patientenformulare oder Presseberichte über klinische Tests – alles soll hier leicht auffindbar sein, offen für das gesamte Publikum.
Wer will, kann selber informieren
Lanciert wurde OpenTrials von zwei britischen Organisationen, die aus der Medizinforschung in Cambridge respektive Oxford entstanden waren und mehr Transparenz im Bereich der klinischen Versuche schaffen wollen.
Speziell an OpenTrials ist auch, dass es sich zugleich auch als Aufruf versteht: Wer will, kann Daten, Informationen, Berichte aus und über medizinischen Versuchen einreichen.
«Wir hoffen, dass unsere Datenbank dazu führt, dass weniger Engagement verschwendet wird, weil die nötigen Informationen über klinische Versuche fehlten oder schwer zu finden waren», erläutern die Macher von OpenTrials in einem Communiqué
(mehr hier).