Sterberisiko: Forscher raten Ärzten, den Händedruck zu messen

Die Kraft eines Händedrucks sagt einiges über den Gesundheitszustand aus. Nun haben Forscher neue Richtwerte ermittelt, die Auskunft über das Sterberisiko geben. Was die FMH davon hält.

, 28. Juli 2022 um 13:42
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Ein schwacher Händedruck ist ein wichtiger Hinweis auf ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko. Das haben Wissenschaftler bereits mit mehreren Studien belegt. Nun lässt eine neue Studie aus Österreich mit präziseren Details aufhorchen. Publiziert wurde sie am Montag, 25. Juli, im Fachmagazin «BMJ Open». 
Im Gegensatz zu den bisherigen Studien, untersuchten die Forscher vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse, kurz IIASA, nicht die Händedruckstärken von gesunden und erkrankten Personen. Dieses Mal lag der Fokus auf dem Vergleich von  Menschen gleichen Geschlechts, Alters und gleicher Grösse.
Die neue Erkenntnis: Wie es sich über alle Gruppen hinweg gezeigt hat, hängen bereits Werte knapp unter dem Durchschnitt - den ähnlich grosse und alte Geschlechtsgenossen erreichen -, mit einem höheren Sterblichkeits-Risiko zusammen.
Eine Spezialistin auf diesem Gebiet ist Nadia Steiber von der Universität Wien. Sie gehört zum Forscher-Team und beschäftig sich seit Jahren mit der Ermittlung von Händedruck-Referenzwerten für verschiedene Personengruppen, die in der klinischen Praxis zur Anwendung kommen können. 

Forscher empfehlen Tool in der Praxis

Für sie ist klar: «Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Handgriffstärke ein sehr präzises und empfindliches Mass für die zugrunde liegenden Gesundheitszustände ist. Wir empfehlen deshalb, es als Screening-Tool in der medizinischen Praxis zu verwenden.»
Die Stärke des Handgriffs sei ein günstiger und einfach durchzuführender Test, der zur Früherkennung von Gesundheitsproblemen helfen könne. Gemessen wird der Händedruck mit einem sogenannten Dynamometer; die Angaben erfolgen in Kilogramm. 
Achtung: Ein überdurchschnittlich starker Händedruck geht nicht mit einem signifikant geringeren Risiko einher. Dementsprechend bringe gezieltes Training in dem Bereich auch keinen Vorteil mit sich, wie die Wissenschafter betonen. 

Die FMH über das Instrument

Günstig, einfach und effizient - das klingt gut. Doch welche Bedeutung hat diese Studie für Schweizer Ärztinnen und Ärzte? Weckt der Händedruck als Screening-Tool mittels Dynamometer überhaupt das Interesse?
«Das müssen wir jedem einzelnen Arzt oder einzelnen Ärztin selber überlassen. Wir können nicht beurteilen inwieweit der Dynamometer dort klinisch eingesetzt werden kann. In der Allgemeinpraxis wird er als singuläres Instrument kaum Bedeutung erlangen», erklärt die FMH auf Anfrage.
Ernst genommen wird diese Studie aber alleweil: «Ärztinnen und Ärzte nehmen alle Studien ernst, die sie in ihrer klinischen Tätigkeit unterstützen.» Die Muskelkraft, hier untersucht durch den Händedruck, sei schon immer ein Indikator für die Gesundheit gewesen. 
Was Patienten meist nicht wahrnehmen: Neben der spezifischen ärztlichen Untersuchung nutzen Fachkräfte für die Diagnosestellung und Risikoabschätzung ihnen noch andere zur Verfügung stehenden Mittel. Dazu gehören die Gesichtsfarbe, genauso wie der Händedruck, der Schweiss oder die Gangsicherheit der Patienten. 
Der Händedruck sei nun mittels moderner Devices besser quantifizierbar,  «jedoch weiterhin unspezifisch – das wird auch so bleiben», gibt die FMH zu bedenken.

Ist der Händedruck Geschichte?

Ein Nachteil für die Ärzte müsste nun sein, dass der Händedruck in der Arztpraxis vielerorts nach wie vor tabu ist. Und Corona werden wir so schnell nicht wieder los. Ist der Händedruck damit Geschichte?
«Im Kontext einer zu bewältigenden Pandemie ist der Verzicht auf den Händegruss als hygienische Massnahme in der Praxis sinnvoll und soll auch weiter praktiziert werden.» Indes könne daraus nicht vorschnell geschlossen werden, dass der Händegruss deshalb Geschichte sei, sagt die FMH. 
Empfehlungen für das Verhalten von Ärzten und Ärztinnen zur Bekämpfung der Pandemie gibt Swissnoso heraus. 
«Zurzeit empfiehlt auch die FMH noch verstärkte Hygienemassnahmen in der ärztlichen Praxis. Die Empfehlungen sind nicht verbindlich und können von den Ärzten und Ärztinnen situativ und risikobasiert angepasst werden.»
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