Die Fachzeitschriften aus dem Springer-Medizin-Verlag haben eingängige Namen. Sie lauten «Der Radiologe» oder «Der Urologe». Diese Titel sind allerdings unter Ärzten und vor allem unter Ärztinnen schon lange kritisch hinterfragt worden.
Seit zwölf Jahren nicht mehr neue Männer-Titel
Das Titelkonzept der männlichen Berufsbezeichnungen wurde vom Verlag denn auch bereits seit zwölf Jahren nicht mehr verfolgt. Alle Zeitschriftengründungen ab diesem Zeitpunkt tragen geschlechtsneutrale Titel.
Doch 22 alte Titel blieben bislang. Nun gab sich der Verlag einen Ruck und merkte selber: «Viele Medizinerinnen fühlen sich heute von männlichen Berufsbezeichnungen nicht mehr angesprochen oder sogar diskriminiert.»
Frauen dominieren schon lang
In Deutschland sind Frauen seit 1999 im Fach Humanmedizin in der Mehrheit, 2020 betrug ihr Anteil fast zwei Drittel. Im medizinischen Berufsalltag liegt der Frauenanteil bei fast 50 Prozent.
Warum nicht schon früher?
Was die älteren Titel betrifft, war der Verlag lange davon ausgegangen, dass die Titeländerung einer etablierten Zeitschrift nachteilige Folgen haben könnte. Er befürchtete, dass die Titel in den Archiven und bei Zitierungen nicht mehr aufgefunden würden.
Doch nun wurde offenbar eine Lösung gefunden: «Durch intensive Verhandlungen und gute Kontakte in die Wissenschaftswelt konnte der Springer-Medizin-Verlag die Rahmenbedingungen für die Titeländerungen ohne nachteilige Konsequenzen für Leserinnen und Leser der Fachzeitschriften schaffen», schreibt der Verlag in einer Mitteilung.
Hautarzt vermisst «Der Hautarzt»
Ab Juni erscheinen 21 Zeitschriften mit einem neuen Titel. Die Reaktionen sind mehrheitlich gut: Der Titel «Der Chirurg» habe bei ihr immer die Assoziation eines älteren Mediziners geweckt, sagt die Wiesbadener Chirurgin Sinja Kron. «Der neue Titel bringt viel besser zum Ausdruck, worum es wirklich geht: das Fach. Was wir warum und wie tun und nicht, wer es tut.»
Wehmut bei alten Lesern gibt es allerdings auch: «Auch wenn es verständlich und gendergerechter ist, werde ich ‹Der Hautarzt› als Name vermissen, hat er mich doch durch meine gesamte bisherige Tätigkeit in der Dermatologie begleitet», sagt Jürgen C. Becker, der Herausgeber der Zeitschrift und Dermatologe in Essen.
Warum «Der Nervenarzt» bleibt
Eine einzige Zeitschrift bleibt vorderhand männlich, nämlich «Der Nervenarzt». Das Problem ist, dass sich in diesem Fall die Facharzt-Bezeichnung nicht durch die Fachdisziplin ersetzen lässt, weil «Der Nervenarzt» mehrere Fachdisziplinen behandelt. Der Verlag ist darum noch in Gesprächen.
Der umfassenden Umbenennungs-Aktion zum Trotz: Die Mehrheit der Beiträge in den Zeitschriften ist noch immer von Männern verfasst. Doch der Verlag arbeite daran, mehr Autorinnen zu gewinnen, teilt er mit.