Nein, die Männergrippe ist nicht nur Theater

Eine Studie ging der Frage nach, ob Männer wirklich eher Weichlinge sind. Oder ob ihre heftigere Reaktion auf einen grippalen Effekt medizinische Gründe hat. Und was da zu tun wäre.

, 13. Dezember 2017 um 13:26
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Gleich eingangs sei bemerkt: Die Untersuchung erschien im sehr renommierten «British Medical Journal» – allerdings in der Weihnachtsausgabe. Und die hat es bekanntlich in sich: Zum Jahresende greifen Wissenschaftler auch weniger bitter-ernste Themen auf. Allerdings behandeln sie ihre Forschungsaufgaben durchaus akribisch und seriös.
Die Arbeit des Arztes Kyle Sue von der Memorial University of Newfoundland drehte sich also um die Männergrippe, «man flu» – also um das bekannte Phänomen, dass viele Männer sich dem Tod anzunähern scheinen, sobald sie ein grippaler Infekt oder etwas Ähnliches ereilt.
Alles nur Theater? Kyle Sue sichtete nun in seiner Metastudie alle greifbaren wissenschaftlichen Studien, welche den Zusammenhängen zwischen solchen Virenerkrankungen und dem Geschlecht nachgegangen waren – klinische Studien genauso wie Umfragen.

  • Kyle Sue, «The science behind “man flu”», in: «British Medial Journal», Dezember 2017 (Christmas Issue)

Heraus kam, 

  • dass erwachsene Männer ein höheres Risiko tragen, wegen Influenza hospitalisiert werden.
  • Weiter wurden bei Männern mehr Influenza-bezogene Todesfälle festgestellt als bei Frauen derselben Altersgruppe.
  • Eine andere Studie zeigte, dass Männer bei diversen Erkrankungen der Atemwege eher Komplikationen erleiden als Frauen.
  • Weiter gebe es Hinweise – so eine andere Studie –, dass Männer unter viralen Erkrankungen der Atemwege tatsächlich stärker leiden, weil ihr Immunsystem weniger robust ist als jenes der Frauen.

Nach weiteren Vertiefungen – auch der Lektüre von anthropologischen Studien – kommt Dr. Sue jedenfalls definitiv zur Conclusion, dass «das Konzept der Männergrippe, wie es allgemein definiert ist, potentiell ungerechtfertigt ist». 

Schutz vor Raubtieren

Es sei wahrscheinlich, dass die Männer ihre Symptome nicht übertreiben, sondern schwächere Immunantworten auf gewisse Viren zeigen. Dies wiederum könnte sowohl zu stärkerer Erkrankung als auch zu höherer Mortalität führen als bei Frauen. 
Weiter biete die männliche Reaktion auf die Schnupfensymptome gewisse Vorteile des Energiehaushaltes. «Auf der Couch zu liegen, nicht aus dem Bett zu kommen oder Hilfe bei den alltäglichen Aufgaben zu suchen, könnte auch ein evolutionär begründetes Benehmen sein, das vor Raubtieren schützt.»
Es sei deshalb an der Zeit, männerfreundliche Umgebungen für solche Infekte zu schaffen – «ausgerüstet mit enormen TV-Bildschirmen und Lehnstühlen, so dass die Männer sich von den lähmenden Effekten der Männergrippe in Sicherheit und Komfort erholen können.»
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