Am Ostersamstag stürmte eine Sondereinheit der Kantonspolizei die Praxis eines Arztes im Kanton Aargau. Der Kardiologe wurde verhaftet und
fürsorgerisch in die Psychiatrie eingewiesen. Dies, weil eine Ärztin der Firma Mobilen Ärzte Aargau den 58-Jährigen als «nicht hafterstehungsfähig» beurteilte. Warum der Arzt verhaftet wurde, ist bislang nicht ganz geklärt. Gemäss Polizei soll er Drohungen gegen Angehörige und Behörden verbreitet haben.
Jedenfalls hat dieser Vorfall nun ein juristisches Nachspiel: Der Anwalt des Verhafteten hat einen Antrag auf Administrativuntersuchung gestellt; die Aargauer Regierung tritt auf das Begehren ein. Wie teuer die von Rechtsprofessor Felix Uhlmann ausserkantonal durchgeführte Angelegenheit dem Kanton zu stehen kommt, ist noch nicht klar. Erfahrungen zeigen: Solche Untersuchungen kosten den Steuerzahler schnell einmal zehntausende Franken.
Gerechtfertigt und verhältnismässig?
Zu klären sind gemäss Antrag, der Medinside vorliegt, insbesondere Fragen zum genauen Ablauf der Ereignisse - vor und nach der Verhaftung. Und ob der Einsatz der Polizei-Sondereinheit «gerechtfertigt und verhältnismässig» gewesen sei. Zentral sei auch die Frage nach der anonymen Person, die mit Markus Dieth Kontakt aufgenommen habe. Denn der Aargauer Regierungsrat, ein Rotary-Kollege des verhafteten Kardiologen, hat nach einem Hinweis den Kommandanten der Kantonspolizei persönlich informiert. Oder warum sein Mandant nicht in einer ausserkantonalen Psychiatrie untergebracht und dort psychiatrisch beurteilt wurde, will sein Anwalt weiter wissen.
Freidenker oder «ausser sich»?
Der Arzt, der aus einer bekannten Familie stammt, wehrte sich gegen die fürsorgerische Unterbringung und wurde nach Ostern wieder aus der Psychiatrie entlassen. Und zwar laut eigenen Angaben «unter ambulanter psychiatrischer Zwangstherapie». Die Diagnose der Allgemeinärztin der Mobilen Ärzte Aargau: «Manie». Selbst sieht er sich aber als «leicht hyperthymer Aufklärer». Die ambulante Therapie besteht aus der Einnahme eines Neuroleptikums sowie der Einnahmekontrolle mittels Bestimmung des Medikamentenspiegels im Blut. Hätte er dieser Therapie nicht zugestimmt, wäre er sechs Wochen lang stationär «therapiert» worden.
Zu erwähnen ist, dass der Kardiologe, der seit mehreren Jahren eine Praxis im Kanton Aargau führt, vor diesen Ereignissen bereits seit einiger Zeit auf Social Media aufgefallen ist. Und zwar mit Aussagen im Zusammenhang mit dem neuen Coronavirus. So bezeichnete er Corona als «Massenwahn» oder als ein «harmloses Erkältungsvirus». Die Rede ist ferner von angeblich verschwörerischen Aussagen mit Corona und 5G-Netzen. Diese Aussagen haben laut Staatsanwaltschaft aber nichts mit der Verhaftung zu tun.
Berufsausübung: Behörde trifft Abklärungen
Für Aussenstehende ist es schwierig festzustellen, inwiefern hier seine Beurteilung der Realität, die der Erfahrung und Überzeugung anderer Menschen widerspricht. Die Aufarbeitung des Falles wird dies nun zeigen und vor allem die Umstände der Verhaftung genau aufdecken.
Klar ist: Der Arzt, der auf dem Gebiet der Immunologie und Virologie promovierte, ist bislang nie durch Wahnvorstellungen aufgefallen. Dies steht im Antrag für die Administrativuntersuchung. Der Kardiologe, Offizier im Militär und Chef Gesundheit in einem regionalen Führungsorgan, ist zudem bis heute nie strafrechtlich in Erscheinung getreten. Ein Kaderarzt in der Psychiatrie in Königsfelden sowie auch eine Gutachterin sollen auch bestätigen, dass zu keiner Zeit «weder eine Selbst- noch eine Fremdgefährdung» vorlag.
Ob der Mediziner, der in seiner Praxis offenbar wieder Patienten betreut, derzeit weiterhin Gewähr für eine einwandfreie Berufsausübung bietet, ist aktuell noch in Abklärung. Das Aargauer Departement für Gesundheit und Soziales (DGS) «überprüft allfällige verwaltungsrechtliche Schritte», wie es auf Anfrage von Medinside heisst. Massnahmen können etwa Auflagen oder Einschränkungen sein, aber auch der vorübergehende oder definitive Entzug der Berufsausübungsbewilligung. Aus Gründen des Amtsgeheimnisses kann der Kanton aber keine Angaben zum laufenden Verfahren machen.