Wie werden Medikamente falsch verschrieben oder verabreicht? Und in welchen Zusammenhängen? Ein Team unter der Leitung von Markus Gädinger vom Institut für Hausarztmedizin der Uni Zürich wertete dazu Angaben von 180 Hausärzten und Pädiatern aus, die 2015 Auskunft gaben – im Rahmen des Sentinella-Netzwerks.
Sie sollten alle irrtümlichen Ereignisse mitteilen, welche laut ihrer Einschätzung im Medikationsprozess geschahen und mit einer normalen Behandlung in Konflik gerieten.
Ein Kernergebnis: Pro Hausarzt kam es – nach allen Hochrechnungen – zu etwas mehr als zwei Medikationsfehlern pro Jahr (2,07); auf 100'000 Patienten-Arzt-Kontakte hochgerechnet lag die Zahl bei 46,5. Viel tiefer fiel die Quote bei den Pädiatern aus: Hier wurden 0,15 Problemfälle pro Jahr gemeldet, macht 2,8 Medikationsfehler pro 100'000 Patientenkontakte.
Die häufigsten Medikationsfehler | Grafik: bmj open
Die häufigsten Fehler waren die Abgabe beziehungsweise Verschreibung eines falschen Medikaments, gefolgt von zu hohen Dosierungen sowie, drittens, zu tiefen Dosierungen.
Rund 10 Prozent der Fehler wurde von den Ärzten als sehr gefährlich eingestuft, in knapp 27 Prozent der Fälle schätzten die Mediziner das entstandene Risiko als mässig («moderate») ein, in 43 Prozent der Fälle als leicht.
«…war zu erwarten»
Greifbar wird, dass die befragten Haus- und Kinderärzte offenbar ein Gespür für die Ursachen der Probleme haben: Fast die Hälfte bezeichneten einen jeweils konkreten beschriebenen Fall als vorhersehbar (44,8 Prozent: «Ja, in der gegebenen Konstellation war der Vorfall zu erwarten»). Das heisst also: Die Ärzte wissen um die Risiken gewisser «gegebener Konstellationen».
Wo liegen sie? Als wichtige Ursache erscheint in der Studie der Forscher aus Zürich, Bern und Lausanne erwartungsgemäss Abstimmungsprobleme – interface problems –, die in einem Drittel der Fälle erwähnt wurden. Dabei ergaben sich solche Ungereimtheiten primär im Übertritt zu oder von Spitälern (44 Prozent der genannten Fälle), im Kontakt mit Heimen (22 Prozent), Apotheken (14 Prozent), Spitex (9,5 Prozent) und mit einem Spezialisten (5 Prozent).
Interessant nun die Frage, bei wem die Hauptverantwortung für einen erfassten Medikationsfehler lag. Laut den berichtenden Ärzten war es
- Der Arzt selbst in 21,5 Prozent der Fälle,
- die MPA (practice nurse) in 13,6 Prozent der Fälle,
- das Heim beziehungsweise die Wohninstitution des Patienten in 17,3 Prozent der Fälle,
- das Spital in 6,3 Prozent der Fälle,
- die Apotheke in 3,7 Prozent der Fälle,
- der Spitex-Dienst in 2,1 Prozent der Fälle.
In 7,9 Prozent der Fälle orteten die Ärzte die Hauptverantwortung für einen Medikationsfehler bei den Patienten oder deren Angehörigen.