Jetzt müssen wohl viele ihre Ratschläge überdenken: Fettarm-Diäten bringen wenig

Eine grosse Metastudie überprüfte, was denn die effizientere Methode zur Gewichtssenkung ist: Weniger Fett – oder weniger Kohlenhydrate? Das Ergebnis ist ernüchternd. Für beide Diäten.

, 2. November 2015 um 09:30
image
  • forschung
  • übergewicht
  • ernährung
Dieses Ergebnis könnte zu allerlei Rückfragen führen – auch in hiesigen Arztpraxen und Ernährungsberatern. 
Die Aussage: Viel Obst und Gemüse, Pflanzenöl statt tierischer Fette, und so weiter – das bringt nichts. 
Neue wissenschaftliche Ergebnisse widersprechen vielem, was man zur Gewichtsreduktion in den letzten Jahrzehnte gelehrt hat. Und das gleich im doppelten Sinne. Denn sie besagen:

  • erstens, dass low-fat Diäten nicht erfolgreicher dazu verhelfen, dass man nachhaltig an Gewicht verliert;
  • und zweitens, dass es ohnehin nicht so sehr drauf ankommt: Sowohl Fettarm-Diäten als auch Programme zur Vermeidung von Kohlehydraten zeitigen à la longue enttäuschende Ergebnisse.

Genauer: Wer sich an solch eine Diät macht und sie durchhält, schafft innerhalb eines Jahres im Schnitt einen Gewichtsabbau von gut 5 Kilogramm.
Dies das Ergebnis einer Metastudie, bei der 53 wissenschaftliche Arbeiten über den Erfolg von Diätprogrammen ausgewertet wurden; insgesamt erfassten diese Studien gut 68'000 Personen. Die Ergebnisse wurden von einem Team des Brigham and Women's Hospital in Boston sowie der Harvard Medical School erfasst und jetzt veröffentlicht.
Konkret ergab die Auswertung, dass Programme zur Fettvermeidung im Vergleich zu anderen Diäten keine besseren Ergebnisse boten; die Ergebnisse von insgesamt 19 Studien zeigten im Schnitt an, dass die Probanden am Ende des Jahres ein um 1,15 Kilogramm tieferes Gewicht hatten. Ein Fortschritt, der medizinisch kaum bedeutend ist.

«…evident, dass fettarme Diäten nicht der Weg sind»

Interventionen zur Vermeidung von Kohlenhydraten zeigten bessere Ergebnisse: Die Testpersonen hatten ein tieferes Gewicht im Vergleich zu anderen Probanden, welche eine Fettarm-Diät gewählt hatten (so die Zusammenfassung der Resultate von 18 Studien).
Nennenswert spürbar waren die Ergebnisse allerdings nur im Vergleich mit Personen, die ihren herkömmlichen Ernährungsstil fortgesetzt hatten: Hier betrug der Erfolg innert eines Jahres im Schnitt 5,4 Kilogramm.
Ausgangspunkt war für die Wissenschaftler in Boston die Alltagserkenntnis, dass seit Jahren schon eine fettarme Ernähung als gutes Mittel zur Gewichtskontrolle empfohlen wird – dass gleichzeitig aber der der Übergewichtigen stetig steigt. Wie die Studienleiterin Deirdre Thomas vom Brigham and Women’s Hospital im Magazin «Nature» sagte , schien es «evident, dass fettarme Diäten nicht der richtige Weg sein könnten».
«Low-fat diets have low impact», in: «Nature», 30. Oktober 2015.
Bleibt die Frage, woran das liegt. Immerhin hat Fett ja höhere Kalorienwerte als Proteine und auch Kohlenhydrate. Studienleiterin Deirdre Tobias vermutet, dass die Probanden ihre Fette übers Jahr einfach durch Kohlenhydrate ersetzten. 
Und die Ernährungsforscher weisen auch darauf hin, dass ihre Erhebung nur Durchschnittswerte erfasst hat. Zu prüfen wäre also noch eine entscheidende Frage – ob nicht doch zumindest ein gewisser Prozentsatz an übergewichtigen Personen es dank einer Fettarm-Diät schafft, nachhaltig an Gewicht zu verlieren. 
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

USZ, CHUV und USB gehören zu Europas forschungsstärksten Spitälern

Seit der Jahrtausendwende haben sich die Patentanmeldungen europäischer Kliniken verdreifacht. Schweizer Häuser spielen vorne mit.

image

Empa-Forschende entwickeln selbsthaftende künstliche Hornhaut

Forschende der Empa und der Universität Zürich haben eine künstliche Hornhaut entwickelt, die künftig Spendergewebe ersetzen könnte.

image

«Eine frühzeitige Blutverdünnung nach einem Schlaganfall ist sicher und wirksam»

Im Interview erklärt Neurologe Urs Fischer, Chefarzt am Inselspital Bern, was die Ergebnisse der CATALYST-Studie für die klinische Praxis bedeuten – und warum alte Leitlinien überdacht werden sollten.

image

Das Ludwig-Institut bleibt in Lausanne

Zehn Jahre nach der Gründung der Partnerschaft mit dem CHUV und der Uni Lausanne wird das Ludwig-Institut in die Universität integriert. Es soll mehr über Immuntherapie und Tumor-Mikroumgebung geforscht werden.

image

«Wir erreichen heute Areale, die früher unzugänglich waren»

Thomas Gaisl vom USZ über Präzisionsgewinne, Patientennutzen und technische Grenzen der robotisch-assistierten Bronchoskopie – das Interview.

image

Erstmals sind mehr Kinder über- als untergewichtig

Es gibt immer weniger Kinder, die unterernährt sind – dafür immer mehr, die zu viel essen. Auch in der Schweiz. Das zeigt der neuste Uno-Bericht.

Vom gleichen Autor

image

Spital heilt, Oper glänzt – und beide kosten

Wir vergleichen das Kispi Zürich mit dem Opernhaus Zürich. Geht das? Durchaus. Denn beide haben dieselbe Aufgabe: zu funktionieren, wo Wirtschaftlichkeit an Grenzen stösst.

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.