In der Schweiz nehmen Schmerzmittel-Vergiftungen zu

Hierzulande gibt es immer mehr Vergiftungen durch eine Überdosis Paracetamol. Diese könnten laut ETH-Forschenden im Zusammenhang mit höher dosierten Tabletten stehen.

, 29. Oktober 2020 um 08:42
image
  • medikamente
  • praxis
  • forschung
  • eth
Seit 2003 ist das Schmerzmittel Paracetamol in der Schweiz nicht nur rezeptfrei in Tabletten zu 500 Milligramm erhältlich, sondern nach Verschreibung auch zu 1 000 Milligramm. Heute werden zehnmal mehr 1-Gramm-Tabletten verkauft als 500-​Milligramm-Tabletten. Seit der Einführung der höheren Wirkstoffdosis haben auch Paracetamol-Vergiftungsfälle zugenommen. 
Paracetamol ist das weltweit am häufigsten verwendete Mittel für die kurzzeitige Schmerzbekämpfung. Das Problem mit dem Schmerzmittel: Patienten könnten bei Wirkungslosigkeit in Versuchung geraten, die Dosis ohne Absprache mit einer Fachperson zu erhöhen. Die empfohlene Maximaldosis für Erwachsene liegt bei täglich 4 000 Milligramm.

Vergiftungsfälle vermeiden

Forschende der ETH Zürich haben untersucht, ob die Verfügbarkeit der höher dosierten Tabletten von 1 Gramm mit häufigeren Paracetamol-​Vergiftungen im Zusammenhang stehen könnte. Sie schliessen aus ihrer Datenauswertung, dass dem so ist. 
Die Wissenschaftler um Andrea Burden stützten sich in ihrer Analyse auf Verkaufszahlen des Apothekerverbands Pharmasuisse sowie auf Daten des toxikologischen Informationszentrums Tox Info Suisse. 
image
Andrea Burden (ETH Zürich)

Packungen mit weniger Tabletten anbieten

Die Forschenden sind der Ansicht, dass mit einer geringeren Verfügbarkeit von 1000-​Milligramm-Tabletten einige der Vergiftungsfälle vermieden werden könnten. So sollten für Andrea Burden die 1-​Gramm-Tabletten nur noch in Packungen angeboten werden, die weniger Tabletten enthalten. Denn es bestehe wenig Bedarf an Packungsgrössen von 40 oder 100 Tabletten.
Ausserdem, so die ETH-Professorin für Pharmakoepidemiologie weiter, sollten Ärzte ihrer Ansicht nach eher die 500-​Milligramm-Tabletten verschreiben, um das Risiko einer versehentlichen Überschreitung des Tageslimits zu reduzieren. Und darüber hinaus sollten Apothekerinnen und Apotheker auf die Gefahr einer Überschreitung der täglichen Maximaldosis aufmerksam machen.
Martinez-​De la Torre A, Weiler S, Bräm DS, Allemann SS, Kupferschmidt H, Burden AM: «National poison center calls before vs. after availability of high dose acetaminophen (paracetamol) tablets in Switzerland: an interrupted time series analysis», in: «JAMA Network Open», 28. Oktober 2020.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Gefragter Aarauer Frauenarzt macht sich selbständig

25 Jahre lang war Dimitri Sarlos an der Frauenklinik des Kantonsspitals Aarau angestellt. Im Oktober eröffnet der Chefarzt eine eigene Praxis.

image

«Wenn Notfall-Praxen schliessen, wird es doppelt so teuer»

Ein Ex-Spitaldirektor warnt: Wenn die Kassen Notfall-Praxen keine Dringlichkeitspauschale mehr vergüten, wird es für alle sehr teuer.

image

Freie Praxisflächen an bester Lage in Oensingen

Im Glasgebäude in Oensingen, das direkt an der Autobahn A1 liegt, steht gesamthaft eine Fläche von 2'346 Quadratmeter zur Verfügung. Sie eignet sich für vielfältige Nutzungen vor allem im Medizin- und Gesundheitsbereich: Zum Beispiel für Facharztpraxen, Fitnesscenter, Physiotherapie etc.

image

Kantonsspital Aarau eröffnet weiteres Praxiszentrum

Die neue «Walk-in-Praxis» in Lenzburg soll die regionale Grundversorgung stärken – und die Notfallstation des KSA entlasten.

image

Vista setzt Expansion fort – drei weitere Standorte

Die Ophthalmologie-Gruppe hat das Augenzentrum Muttenz-Pratteln übernommen.

image

Viele neue Krebs-Medikamente haben wenig Nutzen

Besonders enttäuschend erscheinen dabei die Wirkstoffe, die in Europa nach einem beschleunigten Verfahren zugelassen wurden.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.