Frauen und Kleinkinder nehmen zu wenig Jod zu sich

Weil Schweizer immer mehr verarbeitete Lebensmittel mit nicht-jodiertem Salz essen, könnte es in der Schweiz künftig wieder mehr Kröpfe geben. Das stellt ein Bericht des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) fest.

, 9. Januar 2019 um 13:28
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Schweizer Schulkinder nehmen ausreichend Jod zu sich, nicht aber bei Frauen im gebärfähigen Alter und Kleinkinder. Das zeigen repräsentative landesweite Querschnittstudien, die das BLV im jüngsten Schweizer Ernährungsbulletin 2019 zusammengefasst hat.

Kröpfe bald wieder im Vormarsch?

Das klassische Symptom eines Jodmangels ist ein Kropf, also eine krankhafte Vergrösserung der Schilddrüse. So passt sich der Körper an einen chronischen Jodmangel an. Ein schwerer Jodmangel und ein daraus folgendes Schilddrüsenhormondefizit kann schwere neurologische Schädigungen und Wachstumsverzögerungen zur Folge haben, insbesondere bei Neugeborenen von Frauen mit einem Jodmangel in der Schwangerschaft.
Das Ernährungsbulletin des Bundes kommt nun zum Schluss: «Es braucht neue Strategien, die sicherstellen, dass vermehrt jodiertes Salz verwendet wird.»
Der natürliche Jodgehalt in den meisten Lebensmitteln ist nämlich gering. Natürliche Quellen sind in der Schweiz vor allem Kuhmilch und Milchprodukte. Ein Drei-Deziliter-Glas Schweizer Milch steuert schätzungsweise 20 bis 30 Prozent der empfohlenen Tagesdosis an Jod für Kinder bei.
Früher herrschte in der Schweizer Bevölkerung zum Teil schwerer Jodmangel und es gab deshalb viele Kröpfe. Die Anreicherung von Speisesalz mit Jod ist aus Sicht des BLV die wirksamste Strategie, um einem Jodmangel und damit dem Kropfwachstum vorzubeugen.

Zu viele verarbeitete Lebensmittel ohne Jod-Salz

Das ist aber nicht ganz einfach: In der Schweiz ist die Jodierung freiwillig. Das heisst, es gibt sowohl jodiertes als auch nicht jodiertes Salz. Zwar verwenden über 80 Prozent der Haushalte jodiertes Salz. Doch die Lebensmittelindustrie stellt viele Produkte auch mit nicht jodiertem Salz her.
Da heute ein Grossteil der täglichen Salzzufuhr aus verarbeiteten Lebensmitteln stammt, besteht die Gefahr, dass die Schweizer Bevölkerung künftig wieder von einem Jodmangel betroffen sein wird. Künftiges Ziel sollte laut BLV eine universelle Salzjodierung sein. Das heisst, dass alles Speisesalz Jod enthalten sollte, auch solches in verarbeiteten Lebensmitteln.

Schweiz begann schon vor 100 Jahren mit jodiertem Salz

1922 gehörte die Schweiz zu den ersten Ländern weltweit, die zur Beseitigung und Prävention eines Jodmangels jodiertes Salz einführten. Seit 1952 ist im ganzen Land jodiertes Salz erhältlich. Der Jodgehalt im Salz in Form von Kaliumiodid wurde in kleinen Schritten angehoben von zuerst 3,75 mg/kg auf 25 mg/kg im Jahr 2014. Die Häufigkeit von Kröpfen ging kontinuierlich zurück. Ein durch Jodmangel verursachter Kropf kommt heute praktisch nicht mehr vor.
Dass die breite Bevölkerung mit dem Konsum von Salz gewollt oder ungewollt mit Jod versorgt wird, ruft auch Kritik hervor. Das BLV schreibt allerdings, dass eine Jodaufnahme, die den täglichen Bedarf überschreitet, im Allgemeinen von einer gesunden Schilddrüse gut toleriert werde. Nur bei empfindlichen Personen sei eine übermässige Jodaufnahme schon mit Schilddrüsenstörungen in Verbindung gebracht worden.
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