Die Digitalisierung könnte die freie Arztwahl gefährden

Durch die Digitalisierung werden Patienten stärker von Krankenversicherern entlang einer Versorgungskette gesteuert. Das verändert das Arzt-Patienten-Verhältnis.

, 22. Oktober 2019 um 06:58
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Seit fast 20 Jahren wird über die Digitalisierung des Gesundheitswesens geforscht, publiziert und diskutiert. Nun deuten die aktuellen Entwicklungen in den USA und China darauf hin, dass der Umbruch tatsäch­lich bevorsteht. Dieser Ansicht ist zumindest das internationale Beraterunternehmen Roland Berger.
Klar ist: Durch die Digitalisierung werden Patienten stärker von Krankenversicherern gesteuert. Fast 80 Prozent von 400 international befragten Experten aus der Branche gehen davon aus, dass Versicherte ihre Kunden so steuern, dass diese vor allem die Dienste bevorzugter Partner im Netzwerk der Krankenkassen in Anspruch nehmen. Und fast die Hälfte der Befragten glaubt, dass Versicherer digitale Diagnosen und Therapieunterstützungen anbieten und Patienten diese Angebote nutzen werden. 

  • Studie «Future of Health: Eine Branche digitalisiert sich – radikaler als erwartet». Roland Berger 

Arzt-Patienten-Verhältnis als Kern

Dies bedeutet wiederum, dass die freie Arztwahl zunehmend in Frage gestellt werden könnte. Vor allem in Deutschland wird vor diesem Hintergrund die Wahlfreiheit der Versicherten kritisch beurteilt. Wenn Krankenversicherer digitale Versorgungsangebote ohne Einbeziehung der behandelnden Ärzte machen könnten, drohe die Rolle der Kassenärzte ausgehebelt zu werden.
«Massstab und Kern des ärztlichen Verständnisses einer guten Versorgung ist das Arzt-Patienten-Verhältnis – auch im digitalen Zeitalter, sagt Stephan Hofmeister dem «Handelsblatt». Auch digitale Angebote müssten in ein therapeutisches Gesamtkonzept integriert sein, so der Vizechef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). «Dieses Know-how haben wir und wollen es auch einbringen. Man muss uns nur lassen.»
Weitere Erkenntnisse aus der Umfrage:
  • Schon in den nächsten sechs Jahren wird es auch in Europa zu radikalen Umwälzungen in den Gesundheitssystemen kommen.
  • Das Marktvolumen für digitale Produkte und Dienst­leistungen wird bereits 2025 bei etwa 155 Milliarden Euro in der EU liegen.
  • Sechs von zehn Experten gehen davon aus, dass Amazon, Apple, Google und andere Tech-Riesen in wenigen Jahren zu etablierten Playern auf dem Gesundheitsmarkt zählen werden, mit eigenen Versorgungsstrukturen.
  • Bis zum Jahr 2025, so die Expertenmeinung, könnten 20 Prozent der ärztlichen Leistungen durch Künstliche Intelligenz (KI) ersetzt werden. 
  • KI wird künftig vor allem in der Diagnose, Überwachung und Prävention eine grosse Rolle spielen.
  • 65 Prozent der Befragten prognostizieren, dass die Akteure ihre IT-Systeme angleichen und zentrale Plattformen für den Datenaustausch schaffen wer­den. 
  • Sieben von zehn rechnen damit, dass Patienten ihre Daten mit Versicherungen teilen, um über einen gesundheitsfördernden Lebensstil günstigere Tarife zu bekommen.
  • Knapp 40 Prozent prognostizieren noch stärker wirk­samkeitsbasierte und damit erfolgsabhängige Arznei­mittelpreise. Ausserdem könnte künftig rund ein Drit­tel der Medikamente den Patienten direkt ohne Umweg über eine stationäre Apotheke erreichen.
Der Grossteil der Befragten stammte aus Europa (DACH: 40 Prozent, wei­tere europäische Länder: 40 Prozent, andere Länder: 20 Prozent).
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