Deutschland: Immer mehr psychische Störungen wegen Cannabinoiden

Cannabinoide sind vor allem unter Jugendlichen sehr beliebt. Die Krux: Während die Verfügbarkeit stark zugenommen hat, werden vermehrt auch synthetische Cannabis-​Produkte sowie Präparate mit erhöhtem THC-​Gehalt konsumiert. Das macht krank.

, 27. Januar 2022 um 13:53
image
  • deutschland
  • cannabis
  • sucht
  • psychiatrie
  • psychologie
  • forschung
In Deutschland hat sich der Konsum von Cannabis in den letzten Jahren verändert: Neben der zunehmenden Verfügbarkeit und dem steigenden Konsum von Cannabinoiden unter Jugendlichen, werden vermehrt synthetische Cannabis-​Produkte sowie Präparate mit erhöhtem THC-​Gehalt konsumiert. Mit Folgen: Eine Auswertung der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III am Universitätsklinikum Ulm (UKU) zeigt nun: zwischen den Jahren 2000 und 2018 gab es in Deutschland einen erheblichen Anstieg von stationären Krankenhausbehandlungen aufgrund von Cannabis-​induzierten psychischen Störungen.
Für die Untersuchung hat das Forscherteam unter der Federführung der Professoren Maximilian Gahr und Carlos Schönfeldt-Lecuona Behandlungsdaten von allen in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2018 im Krankenhaus behandelten Fällen hinsichtlich der jährlichen Häufigkeit von Cannabis-assoziierten psychischen Störungen analysiert. 

Fälle haben sich verfünffacht

«In dieser Zeit stieg in Deutschland die relative jährliche Häufigkeit von stationären Fällen, die wegen einer Cannabinoid-induzierten psychischen Störung im Krankenhaus behandelt werden mussten, um den Faktor 4,8. Dass entspricht fast einer Verfünffachung», wird Professor Maximilian Gahr in der Mitteilung zitiert. 
Insbesondere liess sich auch bei den stationären Fällen, die wegen schweren Störungen wie Cannabinoid-Abhängigkeit oder Cannabinoid-induzierten Psychosen stationär behandelt werden mussten, ein signifikanter Anstieg beobachten. Im Vergleich dazu stiegen Aufenthalte in Kliniken aufgrund von Alkoholabhängigkeit oder Schizophrenie nicht an.

Mögliche Gründe für den Anstieg

Aus Sicht der Forscherinnen und Forscher gibt es verschiedene Gründe für den deutlichen Anstieg: Zum einen die zunehmende Verfügbarkeit von Cannabis und zum anderen ein Anstieg der Prävalenz des Cannabinoidkonsums in der Allgemeinbevölkerung. 
«Wir sehen auch einen zunehmenden Konsum von synthetischem Cannabis und solchen Präparaten, die einen erhöhten THC-Gehalt haben», gibt Professor Carlos Schönfeldt-Lecuona zu denken. Tetrahydrocannabinol (THC) sei eine psychoaktive Substanz, die für den Rausch verantwortlich sei.
Möglich sei auch, dass die in 2017 erlassene «Medizinalhanf-Gesetzgebung», die eine Verordnung von Cannabinoiden auf Rezept unter gewissen Umständen ermöglicht, sowie die langjährigen Legalisierungsdebatten, zu einer veränderten Haltung der Bevölkerung in Bezug auf Cannabinoide geführt habe. 
Die Autoren leiten aus Ihrer Studie den Bedarf adäquater Massnahmen zur Prävention von Cannabinoid-assoziierten psychischen Störungen ab.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Neue Allianz für mentale Gesundheit

Der Spitalverbund Appenzell Ausserrhoden (SVAR) und der Krankenversicherer CSS lancieren gemeinsam ein neues Angebot im Bereich der integrierten Versorgung.

image

Die meistzitierten Medizin-Forscher in der Schweiz

Besonders in Onkologie, Immunologie und Pharmakologie finden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Schweiz weltweit Beachtung.

image

«Nicht aus Spargründen» - KJPD und Klinik Sonnenhof fusionieren

Die Fusion der Stiftung Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienste St.Gallen und der Klinik Sonnenhof erfolgt nicht aus Spargründen, sondern um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden.

image

ETH Zürich: Mikroroboter bringt Medikamente direkt ins Gehirn

ETH-Forschende haben einen magnetisch steuerbaren Mikroroboter entwickelt, der auch in komplexe Gefässstrukturen vordringt. Das System bringt Medikamente präzise an den Zielort – und löst sich danach auf.

image

Neuer Direktor für die Klinik SGM

Daniel Röthlisberger wird CEO der Klinik SGM Langenthal. Er ersetzt Nathan Keiser, der Direktor der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel wird.

image

Privatklinik Aadorf: Führungswechsel nach 17 Jahren

Die Privatklinik Aadorf bekommt einen neuen Leiter: Michael Braunschweig tritt die Nachfolge von Stephan N. Trier an.

Vom gleichen Autor

image

Kinderspital verschärft seinen Ton in Sachen Rad-WM

Das Kinderspital ist grundsätzlich verhandlungsbereit. Gibt es keine Änderungen will der Stiftungsratspräsident den Rekurs weiterziehen. Damit droht der Rad-WM das Aus.

image

Das WEF rechnet mit Umwälzungen in einem Viertel aller Jobs

Innerhalb von fünf Jahren sollen 69 Millionen neue Jobs in den Bereichen Gesundheit, Medien oder Bildung entstehen – aber 83 Millionen sollen verschwinden.

image

Das Kantonsspital Obwalden soll eine Tochter der Luks Gruppe werden

Das Kantonsspital Obwalden und die Luks Gruppe streben einen Spitalverbund an. Mit einer Absichtserklärung wurden die Rahmenbedingungen für eine künftige Verbundlösung geschaffen.