Seit vier Jahren ist Hendrik Pilz der Hausarzt von Kandersteg. Nun hat er schweizweit für Aufsehen gesorgt. Er wollte seine Patientinnen und Patienten wegen ihrer Impftermine nicht auf Wochen hinaus vertrösten. Zusammen mit den Gemeindebehörden organisierte der 54-jährige Leipziger einen Impftag. Das Resultat: In Kandersteg sind nun schon viel mehr geimpft als anderswo.
Im Interview sagte Hendrik Pilz gegenüber Medinside, wie er auf die Idee kam – und verschweigt auch nicht, dass er neben dem Applaus plötzlich auch Vorwürfe zu hören bekam.
Hendrik Pilz, wie kamen Sie darauf, gleich so viele Impfwillige im Dorf aufs Mal zu impfen?
Ich stellte fest: Wir haben hier in Kandersteg so viele Leute, die sich impfen lassen wollen – aber mehr als 12 Personen pro Tag schafft man in einer Arztpraxis einfach nicht. Man bräuchte einen grossen Saal, haben wir uns gedacht. Und dann sind wir mit den Gemeindebehörden zusammengesessen und haben das geplant. Meine Frau und ich haben auch schon einige Erfahrungen mit dem Impfstoff gesammelt, weil wir bis Ende April jeden Mittwoch in Thun geimpft haben.
Hat der Kanton von der Impfaktion gewusst?
Ja, die fanden es eine coole Sache.
Sie haben dann im Gemeindesaal geimpft…
… ja in zwei Teams. Für die Saalvorbereitung, den Anmeldeprozess, das Einhalten der Hygieneregeln und die Überwachung der Geimpften brauchte es aber auch noch viele Helfer; alle haben mitangepackt. Wir hatten Dutzende von Freiwilligen, die mithalfen. Wir wollten die Impfaktion kostenlos anbieten. Deshalb habe ich auch mein Praxispersonal gratis zur Verfügung gestellt. Aber es war die Sache wert.
Bei so viel Einsatzwille war es wohl nicht so toll, als Sie in der «Berner Zeitung» lesen mussten, dass Sie mit ihrer Aktion Impfdränglern Vorschub leisten würden.
Wir sind aus allen Wolken gefallen, dass man uns diesen Vorwurf macht. Er trifft einfach nicht zu. Wir haben die Impfgruppen beachtet und das auch aufwändig geplant. Aber die Wertschätzung der Bevölkerung motiviert. Es ist schlicht gut, dieses Gemeinschaftsgefühl hier zu spüren. Jetzt steht uns am 29. Mai noch der zweite Impftermin bevor.
Zur Person
Hendrik Pilz ist Facharzt für Anästhesiologie und Notfallmedizin. Er stammt aus Leipzig und lebt seit sechs Jahren in der Schweiz. Vor vier Jahren übernahm er die Hausarzt-Praxis in Kandersteg. Seine Frau Sabine arbeitet auch in der Praxis. Die Fachschwester für Anästhesie und Intensivmedizin ist Wundmanagerin.