Dauer der Konsultationen: Schweizer Ärzte haben viel Zeit – zumindest relativ

Das BMJ mischt sich ungewollt ein in die Tarmed-Debatte um die Dauer der Grundkonsultation: Es veröffentlicht einen internationalen Grossvergleich zur durchschnittlichen Dauer des Hausarzt-Besuchs.

, 9. November 2017 um 07:55
image
  • praxis
  • tarmed
  • hausärzte
Wie lange dauern Arztkonsultationen weltweit? Zu diesem Thema gibt es jetzt auch eine Untersuchung. Ein Team von Ärzten und Gesundheitsökonomen veröffentlichte dazu Daten aus 67 Ländern, wobei es stark darum ging, Zusammenhänge zwischen Arzt-Zeit und gesellschaftlichem Wohlstand zu erfassen.
Und tatsächlich stiess das Team unter Leitung des Hausarztmedizin-Professors Greg Irving, Cambridge, auf entsprechende Gräben. Am einen Extrem stand Bangladesch, wo eine durchschnittliche Arztkonsultation gerade mal 48 Sekunden dauert. Auf der Gegenseite war das reiche Schweden, wo sich der durchschnittliche Grundversorger jedem Patienten 22,5 Minuten lang widmete. 
Irving et al. erarbeiteten dabei eine Meta-Studie, in der sie insgesamt 178 Erhebungen auswerteten – worin wiederum über 28,5 Millionen Konsultationen in der Grundversorgung erfasst worden waren.
Deutlich wurde dabei, dass der Arzt-Beruf in vielen Ländern tatsächlich eine Fliessband-Tätigkeit ist, wo gar nicht zu denken ist an eine ausführliche Anamnese: In 15 Ländern dauerte der Durchschnitts-Besuch eines Patienten weniger als 5 Minuten, und in weiteren 25 Ländern waren es unter 10 Minuten.

Triage, Rezept, fertig

«In weniger als 5 Minuten kann wenig erreicht werden, sofern der Fokus nicht auf der Entdeckung und dem groben Management einer Krankheit liegt», schreiben die Forscher. In diesem Zeitrahmen lasse sich kaum mehr bewerkstelligen als Triage und Rezeptverschreibung.
In den Industriestaaten erwies sich die Lage dann als komfortabler, so dass in den USA etwas mehr als 20 Minuten, in Deutschland knapp 18 Minuten oder in England gut 10 Minuten verblieben. In der Schweiz stiessen sie auf zwei Studien, die einerseits 15,6 Minuten, andererseits 17 Minuten auswiesen. Damit gelangte die Schweiz in die Spitzengruppe, zu der neben Schweden und den USA auch noch Norwegen, Finnland und Bulgarien gehörten.
image
Dauer der Arztkonsultationen im Verhältnis zu den Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit | Quelle/Grafik: BMJ Open, zitierte Studie
Grundsätzlich stellten die Autoren Korrelationen fest zwischen der Zeitdauer, welche die Ärzte für ihre Patienten zur Verfügung haben, und den durchschnittlichen Gesundheitsausgaben eines Landes, der Dichte der Grundversorger – aber auch zur Burnout-Häufigkeit der Ärzte. Auf der anderen Seite liessen sich keine Zusammenhänge mit der Patientenzufriedenheit festmachen.
Angesichts den Debatten um die Minutagen und der Unzufriedenheit über die neue Grenze für Grundkonsultationen von 20 Minuten dürfte dieser internationale Grossvergleich natürlich hier auf besonderes Interesse stossen.   
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Bern: Physiotherapie gehört in die integrierte Versorgung

Das Berner Kantonsparlament spricht sich klar für eine Stärkung der Physiotherapie aus: Sie soll in die Notfallstationen integriert werden – und mehr Kompetenzen bekommen. Der Regierungsrat muss dies nun angehen.

image

So will ein Landwirt die Tarifpartner entmachten

Die Hausärzte und Hausärztinnen sollen per Gesetzesänderung besser gestellt werden, verlangt eine Motion: Die Tarifpartner seien dazu nicht in der Lage.

image

Innovative Kinderradiologie am Kantonsspital Baden

Das Kantonsspital Baden setzt in seinem Neubau neue Massstäbe in der patientenfreundlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Die Kinderradiologie bietet ein breites Spektrum an diagnostischen und therapeutischen Leistungen und arbeitet eng mit anderen Fachbereichen zusammen.

image

H+ schlägt Alarm: 25 Prozent Unterfinanzierung im ambulanten Bereich

Das zeigt eine Auswertung des Vereins Spitalbenchmark. Der Spitalverband fordert deshalb sofortige Tarifanpassungen.

image

Nachhaltig: Bacillol® 30 Sensitive Green Tissues

HARTMANN erweitert sein Portfolio um die nachhaltigen Bacillol® 30 Sensitive Green Tissues. Die Tücher werden aus nachwachsenden Rohstoffen gefertigt und vereinen hohe Wirksamkeit, Materialverträglichkeit und Hautfreundlichkeit. Dabei werden Plastikabfall sowie CO₂-Emissionen reduziert.

image

Deshalb sind Ärzte vor Bundesgericht so erfolgreich

Schon wieder sind die Krankenkassen mit Rückforderungen bei Ärzten vor Bundesgericht abgeblitzt. Das höchste Gericht stützt neu die Ärzte besser.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.