Spital Männedorf verärgert Goldküsten-Kinderärzte

Die neue Spital-Kinderarztpraxis in Männedorf sorgt für rote Köpfe bei den ansässigen Pädiatern. Es ist von Falschaussagen und einem Abwerben der Neugeborenen die Rede.

, 2. April 2024 um 13:03
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Eine Kinderarztpraxis braucht mindesten 50 Neugeborene, damit sie rentieren kann. | Symbolbild
Mitte Februar hat das Spital Männedorf eine Kinderarztpraxis auf dem Spital-Areal eröffnet. Mit dem Angebot solle die Neugeborenen-Versorgung im Gebärsaal und auf dem Wochenbett gestärkt werden, hiess es damals in der Mitteilung. Zugleich helfe das Angebot, die Kinderarztpraxen am rechten Zürichseeufer zu entlasten.
Denn viele Pädiater in der Region könnten keine neuen Patienten aufnehmen – und auch für Notfallkonsultationen müssen die Eltern und Kinder aus der Gegend vermehrt auf Spitäler in der Stadt Zürich verwiesen werden.

Falsche Aussagen

Genau diese Aussagen sorgten bei den hiesigen Pädiatern für rote Köpfe. «Sie sind schlicht falsch», sagt Rainer Kehrt, Kinderarzt aus Feldmeilen und Präsident des Kinderärztlichen Notfalldienstes Pfannenstiel gegenüber Medinside. Keine einzige der 13 Kinderarztpraxen am rechten Zürichseeufer habe einen Aufnahmestopp, ebenso würden Patienten vom kinderärztlichen Notfalldienst am Pfannenstiel auch nicht wegen Kapazitätsengpässen an die Spitäler verwiesen werden.

Nicht ausgelastet

Denn: Im Gegensatz zur Rest der Schweiz und insbesondere zum gegenüberliegenden Zürichseeufer seien die Kinderarztpraxen an der Goldküste nicht ausgelastet – trotz ähnlicher Ärztedichte. «Ich zum Bespiel, habe derzeit Kapazitäten von zusätzlich etwa 20 Prozent», so Kehrt.
Weshalb das so ist, dafür hat der Pädiater und Facharzt für Allergologie eine Mutmassung: «Die Wohnkosten sind an der Goldküste deutlich höher und der Wohnraum knapper, daher leben hier weniger Familien. Folglich gibt es weniger Kinder.»
«Damit eine Kinderarztpraxis gut läuft, brauchen wir zwischen 50 bis 100 Neugeborene», Rainer Kehrt, Kinderarzt aus Feldmeilen
Umso wichtiger seien eben jene Neugeborenen, die nach dem Spitalaufenthalt für die Vorsorgeuntersuchungen 'gewonnen' werden könnten. Es gehe um den Ausbau des Patientenstammes, wie Rainer Kehrt betont: «Wir leben davon. Damit eine Kinderarztpraxis gut läuft, brauchen wir zwischen 50 bis 100 Neugeborene jährlich.»
Wobei man auch damit nicht reich werde: Eine Vorsorgeuntersuchung bringt gemäss Tarmed 100 Franken brutto pro halbe Stunde ein.

Abwerben?

Im vergangenen Jahr kamen 590 Kinder im Spital Männedorf zur Welt. Befürchtet wird nun, dass die Neugeborenen, die im Spital geboren werden und die ersten Untersuchungen bekommen, auch gleich bleiben. Denn anders als vom Spital angekündigt, stellt das neue Angebot nicht nur einen Ausbau des Neugeborenen-Angebots dar, sondern biete das ganze pädiatrische Spektrum an.
Rainer Kehrt hat bereits von einer Mutter gehört, die im Spital Männedorf geboren hatte und danach gezielt angeworben wurde – mit dem (falschen) Hinweis, 'dass die Kinderaztpraxen ja eh keine neuen Patienten mehr nehmen würden'.
Der finanzielle Aspekt sei das eine – viel schwerer wiege allerdings die Art und Weise, wie das Spital mit den hiesigen Kinderärzten umgehe. «Wir wurden knapp zwei Wochen vor der Eröffnung per Brief informiert, ein Gespräch mit uns fand nicht statt Wir wurden einfach vor vollendete Tatsachen gestellt», so Kehrt.

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    Rainer Kehrt

    Facharzt FMH für Kinder- und Jugendmedizin, Allergologie

    Er ist zudem Präsident des 2013 gegründeten Kinderärztlichen Notfalldienstes Pfannenstiel. Hierbei wechseln sich die 13 Kinderarztpraxen des rechten Zürichseeufers während 365 Tagen jeweils von 8-22 Uhr für Notfallkonsultationen ab.


Auf Anfrage von Medinside hat das Spital Männedorf bislang nicht auf die Vorwürfe reagiert.

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