Christian Gerber: «Hart arbeiten darf doch nicht illegal sein»

Der Ärztliche Direktor des Balgrist sichtet in der Politik die Haupt-Treiberin für steigende Gesundheitskosten. Ein Beispiel: Die neuen arbeitsrechtlichen Vorgaben.

, 6. Januar 2017 um 08:30
image
  • balgrist
  • zürich
  • gesundheitskosten
  • politik
Christian Gerber tritt bekanntlich im laufenden Jahr als Ärztlicher Direktor der Zürcher Orthopädie-Uniklinik Balgrist zurück. Nun gab er dem «Blick» ein grosses Interview – bei dem en passant bestätigt wurde, dass Mazda Farshad seine Nachfolge antritt.
Der derzeitige Chefarzt Wirbelsäulenchirurgie, 34, sei «eine Ausnahmeerscheinung», so Gerber im Interview: Farshad habe mehr Potential als er selber in diesem Alter gehabt habe. «Er hatte mit 18 die Matur, mit 24 das Medizinstudium, mit 30 die Habilitation. Parallel holte er sich einen Master-Abschluss in Public Health.» Und seine Autorität als Chef werde er «sich erarbeiten wie jeder andere auch».

«Ärztezahl um mindestens 25 Prozent erhöhen»

Aber es gehe um etwas ganz anderes, so der amtierende «Mr. Balgrist» weiter: «Ganz junge Leute haben das grösste Potenzial, die Medizin weiterzuentwickeln». Und gerade die Orthopädie stehe vor Revolutionen, etwa mit der erweiterten Realität oder der Robotik. «Das ist jenseits der Vorstellungswelt meiner Generation.»
Auffällig im «Blick»-Interview sind Gerbers Kommentare zu den steigenden Gesundheitskosten: Der Balgrist-Direktor und Orthopädie-Chefarzt gibt den Ball an die Politik weiter («Die Politik verteuert die Medizin wissentlich»); er nennt als konkretes Phänomen die arbeitsgesetzlichen Vorgaben; und er rechnet dabei vor, dass eine Universitätsklinik deswegen statt sieben Oberärzte plötzlich 13,2 Stellen für die exakt gleichen Aufgaben benötigt. «Am Balgrist mussten wir die Ärztezahl um mindestens 25 Prozent erhöhen, ohne dass die Anzahl der Patienten zunahm».

Sie wussten nicht, was sie tun

Die Senkung der Ärzte-Arbeitszeit von 60 bis 80 Stunden auf 50 oder 55 Stunden sei «wohl der grösste Teuerungsschub in den Spitälern», so Gerber: «Man hat den Eindruck, dass diejenigen, die dieses Gesetz verabschiedet haben, nicht wussten, was sie taten.»
Dem Einwand, dass so zumindest die Arbeitnehmer geschützt werden, stimmt Gerber grundsätzlich zu: «Was man mit uns früher gemacht hat, war letztlich Ausbeutung.». Heute aber werde den Leuten verboten, länger zu arbeiten, selbst wenn sie das wollen. «Ich muss persönlich garantieren, dass die Leute nicht länger arbeiten, sonst werde ich eingeklagt.»
Mit solchen Regeln werde die Schweiz langfristig abgehängt. «Hart arbeiten darf doch nicht illegal sein. Ich hatte das Privileg viele echte Grössen zu treffen aus Sport, Wirtschaft, Kunst, Showbusiness. Das Einzige, was sie gemeinsam haben: Alle sind Schwerstarbeiter.»

  • Zum ganzen Interview: «Balgrist-Chefarzt Christian Gerber (64) rechnet ab: "Die Politik verteuert die Medizin willentlich!"»

Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Monsieur Prix mag das Réseau de l’Arc

Preisüberwacher Stefan Meierhans schlägt vor, dass die Politik viel stärker auf grosse Gesundheitsnetze mit festen Budgets setzt.

image

Keine Zulassungserleichterung für Orphan Drugs

Eine schnellere Zulassung für Arzneimittel bei seltenen Krankheiten hätte laut dem Bundesrat hohe Kostenfolgen.

image

Kinder- und Jugendpsychiatrie: Nun soll's der Bundesrat richten

Der Nationalrat verlangt, dass der Bundesrat in die Kompetenz der Kantone und der Tarifpartner eingreift.

image

Forschung muss Frauen und Alte mehr berücksichtigen

Der Bund regelt die Forschung an Menschen stärker. Künftig sollen mehr Frauen und Alte teilnehmen.

image
Gastbeitrag von Bettina Balmer, Fabian Kraxner und Belinda Nazan Walpoth

Und jetzt: Digitalisierung, Ambulantisierung, weniger Bürokratie

Die Kostenbremse-Initiative ist zurecht gescheitert. Sie bot kein konkretes Rezept, um die Gesundheitsausgaben zu bremsen.

image

Uniklinik Balgrist: Stationär und ambulant mehr Patienten

2023 verbuchte die Orthopädie-Klinik einen kleinen Gewinn – und 2024 wird eher schwieriger.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.