Blutdruck: Tiefere Richtwerte in den USA – und demnächst auch hier

Die amerikanische Ärzteschaft erachtet bereits einen Blutdruck über 130/80 als kritisch. Damit werden Millionen Menschen neu zu Kandidaten für Therapien. Europa und die Schweiz dürften 2018 nachziehen.

, 16. November 2017 um 09:26
image
  • prävention
  • praxis
  • hypertonie
  • kardiologie
  • forschung
Der Entscheid wurde vor allem wegen seiner Wirkung beachtet: Denn damit wurden Millionen Amerikaner am Montag schlagartig krank. Der Grund: Die American Heart Association und das College of Cardiology hatten neue Richtlinien veröffentlicht, laut denen ein Blutdruck über 130/80 mmHg kritisch sei – jenseits der Normalität. Zuvor hatte ein Wert bis 140/90 noch als normal gegolten.
Man reagiere damit auf wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach auch in diesem tieferen Bereich Zusammenhänge zwischen dem Blutdruck und dem Risiko für kardiovaskuläre Vorfälle und für Hirnschlag bestehen, so die Begründung. Amerikanische Medien rechneten sogleich vor, dass damit rund 30 Millionen Personen in einen kritischen Bereich geraten sind – wobei allerdings in der Folge nur gut 4 Millionen Menschen neu eine medikamentöse Behandlung erhalten dürften. 


In der Schweiz gilt derweil immer noch ein Zielwert von unter 140/90 für die allgemeine Bevölkerung. Die European Society of Cardiology, an der sich auch die Schweiz orientiert, bezeichnet 130-139/89 als «hochnormal». 

Versuchen, stärker zu differenzieren

Allerdings werden auch diese Richtwerte derzeit überprüft. Die Ergebnisse – und wohl auch neuen Werte – sollen kommenden Juni vorliegen.
«Ich bin erstaunt, dass mit der neuen Definition plötzlich so viele Menschen in den USA mit der Krankheit Bluthochdruck konfrontiert werden», sagte Roland Schmieder vom Universitätsklinikum Erlangen gegenüber dem «Spiegel»; Schmieder wirkt an den europäischen Leitlinien für Bluthochdruck mit. «Auch in Europa und in Deutschland werden wir die Zielwerte voraussichtlich senken», sagte Schmieder weiter. «Aber wir werden versuchen, stärker zu differenzieren, um eine Übertherapie zu verhindern.»
Wissenschaftliche Daten hätten jedenfalls in den letzten Jahren deutlich gezeigt, dass es sinnvoll sei, niedrigere Zielwerte anzustreben, so Schmieder weiter: «Ob die Werte auf 135/85 oder 130/80 gesenkt werden, ist aber noch unklar.»
Und so werde es auch in der Schweiz gewiss Diskussionen geben, bestätigt Yves Allemann, der Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Hypertonie SHG: «Meistens warten wir auf die europäischen Richtlinien, bevor wir unsere eigenen anpassen – also frühestens Ende 2018.»
.
-
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

So will ein Landwirt die Tarifpartner entmachten

Die Hausärzte und Hausärztinnen sollen per Gesetzesänderung besser gestellt werden, verlangt eine Motion: Die Tarifpartner seien dazu nicht in der Lage.

image

Innovative Kinderradiologie am Kantonsspital Baden

Das Kantonsspital Baden setzt in seinem Neubau neue Massstäbe in der patientenfreundlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Die Kinderradiologie bietet ein breites Spektrum an diagnostischen und therapeutischen Leistungen und arbeitet eng mit anderen Fachbereichen zusammen.

image

Zurück auf die Beine: Stimulation hilft Gelähmten beim Gehen

Ein neues Verfahren aus Lausanne verbindet Rückenmark-Stimulation mit Robotik – um bei Querschnittgelähmten die Muskelkoordination zu verbessern. Das System könnte weltweit in Reha-Kliniken eingesetzt werden.

image

Leberkrebs: Ein weiterer Schritt zur vollständigen Remission?

Eine internationale Studie unter Genfer Leitung zeigt, dass ein genaues Intervall zwischen Immuntherapie und Lebertransplantation die Chancen auf eine vollständige Remission des hepatozellulären Karzinoms maximieren könnte.

image

Nachhaltig: Bacillol® 30 Sensitive Green Tissues

HARTMANN erweitert sein Portfolio um die nachhaltigen Bacillol® 30 Sensitive Green Tissues. Die Tücher werden aus nachwachsenden Rohstoffen gefertigt und vereinen hohe Wirksamkeit, Materialverträglichkeit und Hautfreundlichkeit. Dabei werden Plastikabfall sowie CO₂-Emissionen reduziert.

image

Deshalb sind Ärzte vor Bundesgericht so erfolgreich

Schon wieder sind die Krankenkassen mit Rückforderungen bei Ärzten vor Bundesgericht abgeblitzt. Das höchste Gericht stützt neu die Ärzte besser.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.