Darum steht der Kantonsarzt unter Verdacht

Der neu gewählte Solothurner Kantonsarzt ist in Misskredit geraten. Er tritt in der Bodybuilder-Szene als «Dr. Pump» auf – oder besser: trat.

, 15. Februar 2023 um 10:53
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So sah die Website von «Dr. Pump» aus, bevor sie gesperrt wurde. | Screenshot
Das Bild eines muskelbepackten Oberkörpers auf der Website irritierte. Oder vielmehr waren es die Kontaktdaten, die erstaunten. Dort standen nämlich Ingo Butzke, Chefarzt am Psychiatriezentrum Münsingen (PZM), und der Facharzt X.*, designierter Kantonsarzt von Solothurn.
Der Ton auf der Website war kumpelhaft: «Wenn Tren, Diana und Nandro mehr Probleme in der Beziehung machen, als Deine Ex: Dr. Pump», hiess es dort zum Beispiel. So vertraulich sprachen Chefarzt Butzke und der angehende Kantonsarzt die Bodybuilder an, die sich dopen.
Diese Nähe zu Doping könnte X. nun möglicherweise seine neue Stelle im Kantonsarztamt von Solothurn kosten.

Das verschwieg X. bei der Bewerbung

Dieser hatte bei der Bewerbung in Solothurn eine Strafuntersuchung verschwiegen, die gegen ihn läuft. Als die Behörden nach dessen Wahl davon erfuhren, teilten sie mit, dass das Vertrauensverhältnis «massiv geschädigt» sei. Derzeit klärt Solothurn nun ab, ob X. als Kantonsarzt überhaupt angestellt werden soll.
Ob sich X. tatsächlich etwas zuschulden hat kommen lassen, ist noch völlig offen. Klar ist nur, dass die Berner Polizei vor zwei Jahren beim Arzt zuhause Dokumente und Geräte beschlagnahmte. Derzeit wertet die Berner Staatsanwaltschaft das Material aus. Sie prüft den Verdacht, dass X. Substanzen verschrieben haben könnte, die gemäss Sportförderungsgesetz verboten sind, wenn sie zur körperlichen Leistungssteigerung eingesetzt werden.

X. arbeitete für Psychiatrische Klinik

Doch wie kommt ein angehender Kantonsarzt überhaupt in einen solchen Verdacht? Die Spur führt ins PZM: Dort trat X. bis vor wenigen Tagen unter dem Pseudonym «Dr. Pump» auf. Zusammen mit dem erwähnten Chefarzt Ingo Butzke bot er dort einen vertraulichen Beratungs-Service für die Nutzer von so genannten Performance and Image Enhancing Drugs (IPED) – das sind Substanzen, die in Bodybuilderkreisen als Dopingmittel missbraucht werden. In der Regel handelt es sich um Anabole Steroide wie Nandrolon, die auf dem männlichen Geschlechtshormon Testosteron basieren.
«Dr. Pump» soll als Prävention dienen, erklärt das PZM das Angebot. Es soll Abhängigen solcher IPED «eine niedrigschwellige Informationsmöglichkeit» bieten. Die mittlerweile gesperrte Website von «Dr. Pump» liess sich allerdings kaum von einschlägigen Ratgebern in Bodybuilder-Kreisen unterscheiden.

Bodybuilder-Insider-Tipps vom Arzt

So antwortete «Dr. Pump» auf die Frage: «Ich spritze mir seit einiger Zeit Testosteron und habe seither einen roten Kopf. Was kann ich dagegen tun?» mit dem Tipp: «Es gibt gute Medikamente, um den hohen Blutdruck zu kontrollieren, welche die Leistungsfähigkeit im Gym nicht beeinflussen. Frag’ dazu Deine medizinische Fachperson um Rat!»
Die PZM-Sprecherin begründet solche Tipps damit, dass man die Betroffenen «zielgruppengerecht ansprechen und mit ihren Bedürfnissen abholen» wollte. «Dr. Pump» sei als Präventionsprojekt im Rahmen eines Antrages von der «Gesundheitsförderung Schweiz» ausdrücklich positiv gewürdigt worden.

Wie ist das mit dem Gesetz?

Ob das PZM und damit auch X. aufgrund dieser Nähe zu Doping-Behandlungen mit dem Gesetz in Konflikt kommen könnte, fragte Medinside beim PZM nach. Dieses verneint kategorisch: «Es handelt sich um ein Präventionsprojekt, das keinerlei Potential für Konflikte mit dem Gesetz aufweist.»
Medinside hakte beim PZM nach: «Mit X., der selber Body-Building betreibt, haben Sie ein Aushängeschild, das noch mehr Männer zum IPED-Nutzung verlocken könnte. Ist diese Nähe zum Body-Building kein Problem für Sie?» Das PZM antwortete: «Fitness hat das Skifahren längst als Lieblingssport der Schweizerinnen und Schweizer abgelöst. 38 Prozent der sportlich aktiven Bevölkerung geben in einer Umfrage von 2022 an, regelmässig im Fitnessstudio zu trainieren. Generell behandeln wir alle Patienten vorurteilsfrei. Fitnesssportlerinnen zu stigmatisieren oder abzuwerten ist nicht in unserem Interesse.»

Die Zusammenarbeit ist sistiert

Allerdings dürfte dem PZM die ganze Angelegenheit trotzdem etwas zu heiss geworden sein. Nachdem Medinside nachgefragt hatte, wurde die «Dr. Pump»-Seite gesperrt und das PZM erklärte, dass «die Zusammenarbeit mit Doktor X. bis zur Klärung der für uns überraschenden Vorwürfe sistiert» sei.
Weitergeführt wird nur die «Sprechstunde für Medikamente im Fitnesssport». Diese Sprechstunde ist aber weit weniger kumpelhaft als «Dr. Pump». Dort geht es darum, Doping-Abhängige «in ihrer Abstinenzorientierung zu unterstützen.»
*Der Name des betroffenen Arztes ist in den Medien zwar bereits bekannt. Medinside verzichtet aber auf dessen Nennung. Sollte sich bei den Ermittlungen herausstellen, dass sich X. nichts zuschulden hat kommen lassen, soll dessen Name nicht mehr ständig mit den erhobenen Vorwürfen in Verbindung gebracht werden.
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