«Die Tarifpartnerschaft ist nicht ebenbürtig»

Der umstrittene Tarifeingriff in der Physiobranche ist noch nicht in Kraft. Lange will die Gesundheitsministerin aber nicht mehr warten.

, 14. März 2024 um 13:44
image
«Den Tarifeingriff kann man nicht damit begründen, dass der gemeinsame Wille fehle, wenn konkret nur der Wille der Krankenversicherer fehlt»: Franziska Roth, SP-Ständerätin. | Screenshot: parlament.ch
Wie verhält es sich eigentlich mit dem umstrittenen Tarifeingriff in der Physiotherapie: «Hat der Bundesrat zugesichert, dass der Tarifeingriff nicht in Kraft gesetzt wird?»
Diese Frage stellte Mitte-Ständerat Pirmin Bischof am Donnerstag in der Ratsdebatte. Denn dieser Eingriff, so der Solothurner Anwalt, «ist meines Erachtens völlig fehlerhaft». Er führe zu Fehlanreizen zu Lasten der Patienten – insbesondere die Einführung dieses «merkwürdigen Zeittarifs».

Zeitpunkt noch offen

Wann der Tarifeingriff in Kraft tritt, sei noch nicht entschieden, erwiderte Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider. Sie habe eben diese Woche mit Physioswiss Kontakt gehabt. Man sei übereingekommen, dass man auf einer Basis des Vertrauens und nicht der Konfrontation zusammenarbeiten sollte.
«Niemand bestreitet die Qualität der Physiotherapeuten, aber alle bestätigen auch, dass die Tarifpartner auf Transparenz angewiesen seien», so Elisabeth Baume-Schneider. So will der Bundesrat den Tarifpartner noch etwas Zeit lassen – «aber nicht zu lange».
Denn irgendwann müsse der Bundesrat seine Aufgabe der Subsidiarität wahrnehmen.

Interpellation Roth

Anlass der Diskussion war eine Interpellation von Franziska Roth. Die SP-Ständerätin wollte vom Bundesrat wissen, ob das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Versicherungsverbände genügend auf ihre gesetzliche Pflicht hingewiesen habe, Tarifverhandlungen zu führen. «Die Absichtserklärung blockieren, um nicht in die Verhandlungen eintreten zu müssen, verstösst gegen das KVG», schrieb die Volksvertreterin in ihrer Begründung zur Interpellation.
Mit der Antwort des Bundesrats auf ihre Interpellation war die Solothurnerin nur teilweise zufrieden. So sagte sie nun in der Ratsdebatte: «Wenn der Verband der Krankenversicherer nicht gewillt ist, Verhandlungen zu führen, weil er dank seiner Position innerhalb des Systems andere Möglichkeiten hat, seine Ziele zu erreichen, kann er halt die Tarifpartnerschaft torpedieren.»
Der andere Partner – die Verbände der Leistungserbringer – habe diese Möglichkeit nicht. «Die Partnerschaft ist somit nicht ebenbürtig; die Spiesse sind nicht gleich lang.»

Der Wille fehlt

«Den Tarifeingriff kann man meines Erachtens nicht damit begründen, dass der gemeinsame Wille fehle, wenn konkret nur der Wille der Krankenversicherer fehlt», erklärte Franziska Roth weiter. Wie viele Beispiele der Vergangenheit zeigten, scheitern Tarifverhandlungen regelmässig.
Elisabeth Schneider antwortete, dass sie die Verhandlungspartner wieder an den Tisch beorderte. Zum von Franziska Roth erhobenen Vorwurf, wonach die Partnerschaft nicht ebenbürtig und die Spiesse nicht gleich lang seien, äusserte sich die Gesundheitsministerin nicht.
  • Wie viel verdienen Physiotherapeuten wirklich? Der Stundenumsatz liegt bei 60 Franken – Umsatz, nicht Lohn.
  • «Physiotherapie ist eine High-Value-Intervention»: Professorin Karin Niedermann erklärt, wie sich die Physiotherapie verändert hat – und was davon in der Tarifstruktur nicht abgebildet wird.

  • Physiotherapie
  • Tarifeingriff
  • politik
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Corona kostete den Bund 29 Milliarden

Die Kosten der Corona-Pandemie seien so einmalig gewesen, dass sie keine Vorlage für künftige Krisen seien. Das stellt der Bundesrat fest.

image

Physioswiss kündigt Tarifverträge

Mit der Kündigung ändert sich für Physiotherapeuten vorerst nichts.

image

Alzheimer Schweiz: SP-Urgestein wird Präsident

Der ehemalige Bieler Stadtpräsident Hans Stöckli übernimmt die Spitze der Organisation.

image

Monsieur Prix mag das Réseau de l’Arc

Preisüberwacher Stefan Meierhans schlägt vor, dass die Politik viel stärker auf grosse Gesundheitsnetze mit festen Budgets setzt.

image
Gastbeitrag von Pius Gyger

Über die Verantwortung der Tarifpartner

Eifrig diskutiert die Branche über die Kostenfolgen von Tarifsystemen – aber kaum über die Folgen für die Versorgung oder für die Strukturen.

image

Keine Zulassungserleichterung für Orphan Drugs

Eine schnellere Zulassung für Arzneimittel bei seltenen Krankheiten hätte laut dem Bundesrat hohe Kostenfolgen.

Vom gleichen Autor

image

«Genau: Das Kostenwachstum ist kein Problem»

Für FMH-Präsidentin Yvonne Gilli ist klar: Es braucht Kostenbewusstsein im Gesundheitswesen. Aber es braucht keine Kostenbremse-Initiative.

image

«Kein Mensch will Rationierungen»

Für Santésuisse-Präsident Martin Landolt würde die Kostenbremse-Initiative nicht zu Qualitätsverlust führen. Solange die Bundespolitik ihre Hausaufgaben macht.

image

«Die Spitäler sind selber schuld»

Santésuisse-Präsident Martin Landolt über defizitäre Spitäler, den Tardoc-Streit, ambulante Pauschalen und unnatürliche Kooperationen.