Zulassungsbeschränkung ohne Fundament

Der Bund hat die Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte den Kantonen übertragen. Die Kantone beider Basel preschen vor, auch andere Kantone sind mit deren Umsetzung beschäftigt. Viele Fragen bleiben offen. Für die Patientinnen und Patienten steht viel auf dem Spiel.

, 17. Februar 2022 um 08:07
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Laut Bundesvorgabe müssen die Kantone bis zum 30. Juni 2023 die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte für medizinische Fachgebiete beschränken. Basis ist eine «Herleitung des regionalen Versorgungsgrades». So soll eine «Überversorgung im Gesundheitswesen» verhindert und das Kostenwachstum gedämpft werden. Was in der Theorie vernünftig klingt, ist in Realität eine gefährliche Utopie.
Bereits die Problemdefinition steht wissenschaftlich auf wackeligen Beinen. Dennoch wird seit Jahren das Mantra der kostentreibenden Überversorgung verbreitet. Das Stichwort der Gesundheitsökonomie dazu: «angebotsinduzierte Nachfrage». Damit wird impliziert, dass Ärzte wegen grosser Konkurrenz systematisch Behandlungen aus finanziellem Antrieb verschreiben, für die objektiv betrachtet kein gesundheitlicher Nutzen zu erwarten ist. Ein schwerer Vorwurf, der ohne klare Belege nicht akzeptabel ist.
Eine vom BAG in Auftrag gegebene und breit angelegte Meta-Analyse der aktuellen Studienlage sucht Belege, und findet sie nicht. Sie kommt zum Schluss, dass die Ärztedichte als Erklärungsfaktor für Kosten- und Mengenunterschiede nicht taugt. Trotzdem werden diese Fakten von den Behörden ins Gegenteil gedreht.
Weiter will man die Überversorgung wegen zu hoher Ärztedichte bekämpfen. Anhand eines vom Eidgenössischen Departement des Innern in Auftrag gegebenen Regressionsmodelles soll jetzt die kantonale Überversorgung genau beziffert und die Gesundheitskosten in den Kantonen ohne jegliche qualitative Einbusse gesenkt werden können. Klingt nach Zauberei.
Wissenschaftlich fundiert ist es jedenfalls nicht. In der bereits zitierten Studie ist auch zu lesen: Es könne nicht spezifiziert werden «was die optimale Dichte an Arztpraxen ist, bei der weder eine Unterversorgung oder Qualitätsmängel noch angebotsinduzierte Mengenausweitungen auftreten».
Für diese Erkenntnis braucht es eigentlich weder Wissenschaft noch Zauberei, sondern gesunden Menschenverstand: Ein Modell kann die Gesamtheit einer Versorgungslage niemals abbilden. Und trotzdem bleibt es der politische Wille, die Überversorgung zu bekämpfen. Die Regierungsräte der Kantone Baselland und Basel-Stadt wollen die Bundesvorgabe nun als eine der ersten Kantone rasch und rigoros umsetzen. Sie sprechen von 13 Fachgebieten mit einer Überversorgung im Raum Basel. Die Konsequenzen sind nicht absehbar. Sie wurden auch nicht untersucht.
Der Aufschrei folgt erst, wenn eine Unterversorgung Tatsache ist – und diese ist die grössere Bedrohung als die vermeintliche Überversorgung. Eigentlich müsste man meinen, dass die Corona Pandemie uns mindestens dies gelehrt hat. 
Marco Gugolz ist seit August 2020 als Direktor der Klinik Hirslanden in Zürich tätig.
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