Wir sind zufrieden mit dem Gesundheitssystem – und fordern immer mehr davon

Die Bevölkerung in der Schweiz ist sehr zufrieden mit der Gesundheits-Versorgung. Allerdings: Die selbstbezahlten Leistungen bringen viele Leute an ihre finanziellen Grenzen. Dies besagen neue internationale Vergleichsdaten.

, 17. November 2016 um 14:25
image
Die Schweizer Bevölkerung gibt unserem Gesundheitssystem gute Noten. Dies besagt eine internationalen Umfrage, die unter der Schirmherrschaft des Commonwealth Fund in elf Ländern durchgeführt wurde. 
1'520 Personen über 18 wurden dabei in der Schweiz befragt. Rund 60 Prozent davon fanden, dass das hiesige Gesundheitssystem im Grossen und Ganzen gut bis sehr gut funktioniert. Und zwei Drittel (66 Prozent) erachteten die Qualität der medizinischen Versorgung als hervorragend oder sehr gut. Damit schnitt die Schweiz hier am besten ab.
Gute Bewertungen erhielten:
  • die kurzen Wartezeiten für Arztbesuche und Operationen,
  • das rasche Vorliegen von Laboranalysen,
  • die Behandlungsqualität. 
Der Commonwealth Fund lässt alle drei Jahre eine Bevölkerungsbefragung in mehreren Ländern durchführen. Heraus kam dieses Jahr auch, dass im Vergleich zu 2010 wesentlich mehr medizinische Leistungen beansprucht werden. Zugleich stieg die Zahl der Personen, die angeben, bereits einmal aus finanziellen Gründen auf eine Behandlung verzichtet zu haben.
image
Haben Sie im letzten Jahr mindestens einmal aus Kostengründen auf einen Arztbesuch oder eine Medikation verzichtet? Grafik: Commonwealth Fund
Konkret antwortete fast ein Viertel der Befragten, im vergangenen Jahr mindestens einmal aus Kostengründen auf einen Arztbesuch oder eine Medikation verzichtet zu haben. Nur in den USA lag die Quote höher. Eine Rolle scheinen hier die Zahnarztbehandlungen zu spielen – welche bekanntlich im Schweizer Grundversicherungs-System nicht abgedeckt sind. Fast 11 Prozent der Befragten hier sagten nämlich auch aus, eine zahnärztliche Behandlung aus Kostengründen abgebrochen zu haben.
Und im Zusammenhang mit den selbst bezahlten Gesundheitsleistungen (Out-of-Pocket-Kosten) sagten 9,5 Prozent der Personen in der Schweiz aus, in den zwölf Monaten vor der Befragung Schwierigkeiten wegen medizinischen Rechnungen gehabt zu haben. Das liegt in etwa im internationalen Rahmen – bloss in Grossbritannien (1,4%) und Schweden (4,3%) hatten weniger Menschen Probleme, ihre Gesundheitsrechnungen zu bezahlen.

Hausarzt bleibt Nr. 1

Neun von zehn befragten Schweizern wandten sich bei einem gesundheitlichen Problem zuerst an den Hausarzt oder an ein Gesundheitszentrum. Gegenüber 2010 zeigte sich hier ein leichter Rückgang, nämlich von 93,5 auf 90 Prozent.
Dabei äusserte sich eine Mehrheit von 64 Prozent zufrieden mit der Grundversorgung und gab den Hausärzten und Gesundheitszentren gute bis ausgezeichnete Noten (2010: 69 Prozent). Die Befragten beurteilten dabei unter anderem,
ob der Arzt die Krankengeschichte kennt,ob er genügend Zeit für den Patienten aufwendet,ob er die Patienten in die Entscheidungen einbezieht,ob er  verständlich informiert.
90 Prozent aller Befragten bezeichneten ihren eigenen Gesundheitszustand als gut bis ausgezeichnet. Damit liegt die Schweiz an der Spitze zusammen mit Neuseeland und Australien.
48 Prozent litten laut eigenen Angaben an mindestens einer chronischen Erkrankung. Rund 92 Prozent der Befragten mit einer chronischen Erkrankung fühlten sich gut informiert und betreut; ein ähnlich grosser Anteil äusserte sich zuversichtlich, die gesundheitlichen Probleme bewältigen zu können.


Dies die eine Seite. Die andere: In der Schweiz werden mehr medizinische Leistungen bezogen. 2010 gaben noch rund 44 Prozent der Befragten an, in den letzten zwei Jahren einen Spezialisten aufgesucht zu haben – in der neuen Umfrage 2016 sind es gut 54 Prozent.
Der Anteil Personen, die in den letzten zwölf Monaten mindestens zwei Ärzte aufgesucht haben, stieg ebenfalls – von 45 Prozent auf rund 57 Prozent.
Zu beachten ist dabei, dass dieses Wachstum bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen ist in der Schweiz besonders hoch war.

  • Am «International Health Policy Survey 2016» des Commonwealth Fund in New York, beteiligten sich neben Australien, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Kanada, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Schweden und den USA auch die Schweiz.
  • Befragt wurden in der Schweiz im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit BAG total 1'520 Personen in den drei grossen Sprachregionen.
  • Der Commonwealth Fund ist eine private, nicht-gewinnorientierte Stiftung, die die Förderung gut funktionierender und effizienter Gesundheitssysteme mit besserem Zugang zur Krankenversicherung und die Qualitätsverbesserung der Leistungen zum Ziel hat. 

Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Monsieur Prix mag das Réseau de l’Arc

Preisüberwacher Stefan Meierhans schlägt vor, dass die Politik viel stärker auf grosse Gesundheitsnetze mit festen Budgets setzt.

image

Keine Zulassungserleichterung für Orphan Drugs

Eine schnellere Zulassung für Arzneimittel bei seltenen Krankheiten hätte laut dem Bundesrat hohe Kostenfolgen.

image

Kinder- und Jugendpsychiatrie: Nun soll's der Bundesrat richten

Der Nationalrat verlangt, dass der Bundesrat in die Kompetenz der Kantone und der Tarifpartner eingreift.

image

Forschung muss Frauen und Alte mehr berücksichtigen

Der Bund regelt die Forschung an Menschen stärker. Künftig sollen mehr Frauen und Alte teilnehmen.

image
Gastbeitrag von Bettina Balmer, Fabian Kraxner und Belinda Nazan Walpoth

Und jetzt: Digitalisierung, Ambulantisierung, weniger Bürokratie

Die Kostenbremse-Initiative ist zurecht gescheitert. Sie bot kein konkretes Rezept, um die Gesundheitsausgaben zu bremsen.

image

Was kostet der Leistungsausbau? Keine Ahnung

Was sind die finanziellen Folgen des Leistungsausbaus in der Grundversicherung? Der Bundesrat will das nicht wissen.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.