Wer stets denselben Arzt hat, muss seltener stationär ins Spital

Liebe Gesundheitspolitiker: Ob jemand ambulant oder stationär behandelt wird, hat auch etwas damit zu tun, ob er einen einzelnen Hausarzt hat. Oder ob er von mehreren Ärzten betreut wird.

, 17. Februar 2017 um 16:02
image
  • forschung
  • praxis
  • gesundheitskosten
Diese Resultate betreffen gleich mehrere eifrig diskutierte Themen im aktuellen Gesundheitswesen: «Managed Care», Gruppenpraxen, Hausärztemangel, Wechsel von ambulant zu stationär…
Es geht um die Frage: Was hat der gute, alte Hausarzt mit den Spitaleinweisungen zu tun?
Ein Forscherteam der Health Foundation – einer britischen Stiftung zur Verbesserung des Gesundheitswesens – ging dieser Fragestellung neu nach. Die Ausgangsidee: Man kann nicht einfach nach einer Verlagerung hin zum ambulanten Bereich rufen, ohne die Beziehungen in der Grundversorgung zu betrachten.
Oder anders: Die Kontinuität des Verhältnisses zwischen Patient und Allgemeinpraktiker könnte sich auch darauf auswirken, ob jemand ins Spital muss.


Die Statistiker der Health Foundation beobachteten in ihrer Studie 230'000 ältere Patienten respektive deren Akten. Die Überlegung hinter der Auswahl: Die Menschen in der Altersgruppe zwischen 62 und 82 Jahren suchen den Hausarzt besonders häufig auf – und hier kommt es besonders oft zu unnötigen Spitaleinweisungen.
Tatsächlich scheint es hier einen Zusammenhang zu geben. Laut den in England erfassten Daten mussten jene Patienten seltener ins Spital, welche eher denselben Hausarzt aufsuchten. Konkret untersuchten die Forscher Einweisungen aufgrund von Diagnosen, die womöglich auch ambulant behandelt werden könnten (oder auf Fachenglisch: «ambulatory care sensitive conditions»). Und heraus kam:
  • Patienten mit hoher Kontinuität der ärztlichen Betreuung wurden – statistisch – um 12 Prozent seltener wegen solcher conditions für eine stationäre Behandlung eingewiesen.
  • Und um 9 Prozent seltener als Patienten mit einer mittleren Kontinuität der ärztlichen Betreuung, «a medium continuity of care».
  • Besonders ausgeprägt war dieses Phänomen bei chronisch Kranken Menschen, die häufig zum Arzt mussten. Wer in der knapp zweijährigen Beobachtungs-Periode mehr als 18mal den Arzt aufsuchte, wurde deutlich häufiger einmal ins Spital eingewiesen, wenn er keine kontinuierliche Grundversorgung hatte.
Das erscheint ja sogar durchaus logisch. Der Hausarzt, der einen gut kennt, kennt eher den Punkt, an dem eine Spitaleinweisung unvermeidbar – beziehungsweise eben noch vermeidbar – ist.
Die Autoren selber geben sich zwar vorsichtig und erinnern daran, dass ihre Beobachtungen noch keine Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge belegen. Dennoch kommen sie zum Schluss, dass Strategien, welche die «Kontinuität der Betreuung in der Grundversorgung verbessern, dann auch die weiteren Kosten senken könnten».

Schon etwas mehr Kontinuität könnte helfen

Die mathematischen Modelle der Health Foundation – unter Berücksichtigung gewisser Patienten-Charakteristika – lassen die Autoren vermuten, dass es genügen könnte, wenn die Patienten bei zehn Konsultationen ihren häufigsten medizinischen Gesprächspartner doppelt so oft antreffen würden – und dann könnten die Spitaleinweisungen statistisch um 6 Prozent sinken.
Obendrein könnte eine Förderung der Kontinuität das Erlebnis der Patienten wie der Leistungserbringer in der Grundversorgung verbessern.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Mitten in Luzern entsteht ein neues Ärztezentrum

In der Stadt Luzern eröffnet bald eine neue Gruppenpraxis, wo künftig mehrere Ärzte in einer Ärztegemeinschaft arbeiten werden.

image

Ein Medizin-Imperium aus dem Supermarkt: Kommt das gut?

Die Migros fügt unermüdlich weitere Bausteine zu ihrem Gesundheitsreich hinzu. Ist die Migros-Medizin ein gutes Rezept für die Schweiz?

image

Woran orthopädische Chirurgen leiden

Probleme an Händen, Hörschaden oder Krebs. Die Bandbreite der berufsbedingten Beschwerden bei Orthopäden ist gross, wie eine Umfrage aus den USA zeigt.

image

Abwasser-Monitoring soll Antibiotika-Resistenzen überwachen

Bald könnte das Abwasser nebst Sars-Cov-2 auch auf andere Krankheitserreger ausgeweitet werden. Doch nicht alle halten diese Idee für sinnvoll.

image

Frankreichs Hausärzte gehen auf die Strasse

Statt 25 Euro pro Konsultation wollen französische Hausärzte künftig das Doppelte. Sind sie geldgierig oder arbeiten sie zu einem Hungerlohn?

image

Steigt die Sterblichkeitsrate bei zu hoher Bettenauslastung im Spital?

Dieser Frage ging die Universität Basel Basel nach. Die Ergebnisse, die in einer Fachzeitschrift publiziert wurden, liefern eine neue Perspektive.

Vom gleichen Autor

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.

image

Wer will bei den Helios-Kliniken einsteigen?

Der deutsche Healthcare-Konzern Fresenius sucht offenbar Interessenten für den Privatspital-Riesen Helios.

image

Deutschland: Investment-Firmen schlucken hunderte Arztpraxen

Medizin wird zur Spielwiese für internationale Fonds-Gesellschaften. Ärzte fürchten, dass sie zu Zulieferern degradiert werden.