Warum Checklisten im OP oftmals scheitern

In der Schweiz soll eine standardisierte Check-Liste für Chirurgen durchgesetzt werden. Doch gerade jetzt meldet das Fachmagazin «Nature» Kritik an: Es gelinge oft nicht, solche Checklisten umzusetzen. Warum?

, 29. Juli 2015 um 08:54
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«Bestätigen Sie die Identität des Patienten». «Markieren Sie die Operationsstelle…». Eine Checkliste gilt als einfache und günstige Möglichkeit, Kunstfehler zu vermeiden und Leben zu retten, so der Tenor unter den Checklisten-Verfechtern.
Weil der Erfolg von Abhak-Listen bei chirurgischen Eingriffen so enorm sei, wird auch in der Schweiz ein Lernprogramm für die Spitäler entwickelt. Patientensicherheit Schweiz möchte den konsequenten Einsatz der chirurgischen Checkliste flächendeckend in allen Schweizer Operationsbetrieben unterstützen.

Jetzt droht die Erfolgsgeschichte ins Stocken zu geraten

Doch jetzt kommt ein Warnruf, und zwar ausgerechnet vom renommierten Fachmagazin «Nature». Neue Studienergebnisse knüpfen nämlich alles andere als an den anfänglichen Erfolgen an. Die Resultate der untersuchten Krankenhäusern sind gemischt. Und sie konnten die ersten beeindruckenden Ergebnisse nicht bestätigen.
Aktuelle Analysen aus Kanada und aus den USA zeigen sogar: Checklisten reduzieren Komplikationen oder Todesfälle keineswegs signifikant.
Neben Kritik am Design der Listen sprechen aus Sicht der Mitglieder des OP-Personals unter anderem folgende Gründe für den Erfolg oder Misserfolg einer Checkliste:

  • Die Hälfte der über 100 Befragten gaben an, dass leitende Chirurgen und Anästhesisten sich aktiv den Checklisten widersetzten. Dann wird es es für den Rest des Teams schwierig, die Aufgaben konsequent zu erledigen.
  • Das Personal beklagte sich über die Checkliste selbst: schlechte Formulierungen, zeitaufwendig, ungeeignet für bestimmte Verfahren oder redundant mit anderen Sicherheitskontrollen – dies etwa Kritikpunkte.
  • Ein Viertel der Befragten bemängelte, wie die Checkliste administrativ eingeführt worden war: zu wenig Ausbildung und Feedback und mangelhafter Einbezug der Mitarbeiter im Operationssaal, so die Argumente.
  • Checklisten wurden in einer Studie zwar in 97 Prozent verwendet, aber nur zu 62 Prozent vollständig abgeschlossen. Zudem gab es Fälle, bei denen mindestens ein Teammitglied oder der leitende Chirurg bei der Kontrolle abwesend war.

Checklisten-Manifesto gescheitert?

Es komme auf den richtigen Gebrauch von Checklisten an, sagt Atul Gawande. «Checklisten funktionieren», ist der Chirurg und Studienleiter beim Brigham and Women's Hospital in Boston überzeugt. Aber sie müssten gut umgesetzt sein. «Es stellt sich heraus, dass Checklisten viel komplexer sind als gedacht», so Gawande, der als Autor des Fachbuchs «The Checklist Manifesto» durchaus ein Vertreter des Prinzips ist.
Ähnlich beurteilt das Nick Sevdalis. «Wenn das Instrument richtig genutzt wird, wenn es wie ursprünglich gedacht, verwendet wird, dann hat es echtes Potenzial», sagt Sevdalis von einem anderen Forschungsteam des Imperial College war. Es gehe aber nicht darum, einfach Kästchen abzuhacken ohne darüber nachzudenken. Sonst funktioniere es nicht. 
Hospital checklists are meant to save lives — so why do they often fail? in: «Nature»
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