Sprechstunden werden effizienter, wenn Patienten die Themen setzen

Es hilft den Gesprächen zwischen Arzt und Patient, wenn diese sich im Wartezimmer mit Notizen vorbereiten können. Dies zeigt eine Pilotstudie aus den USA.

, 12. April 2017 um 06:45
image
  • praxis
  • ärzte
  • studie
  • kommunikation
  • spital
Klagen Patienten über Ärzte, geht es häufig um mangelnde Verständigung: Sie finden, der Arzt lasse sie nicht ausreden oder gehe zu wenig auf sie ein. Dabei gibt es ein einfaches Mittel, die Qualität der Konversation zu verbessern: Indem sich nicht nur der Arzt gezielt auf das Gespräch vorbereitet, sondern auch der Patient.
Auf diesen Umstand weisen Wissenschaftler der University of Washington School of Medicine hin. In einer Pilotstudie haben sie herausgefunden, dass die Kommunikation zwischen Arzt und Patient einvernehmlicher und effizienter wird, wenn dieser mehr Einfluss auf den Gesprächsverlauf nehmen kann.
Konkret erhielten die Patienten vor der Sprechstunde Gelegenheit, Notizen zum Gespräch zu machen und Themen zu setzen. 79 Prozent der Patienten und 74 Prozent der Ärzte fanden, dass sich die Kommunikation insgesamt verbesserte. 
Die Ergebnisse wurden im Fachjournal «Annals of Family Medicine» veröffentlicht. 
McHale Anderson, Sara Jackson, Natalia Oster, Sue Peacock, Janice Walker, Galen Chen, Joann Elmore: «Patients Typing Their Own Visit Agendas Into an Electronic Medical Record: Pilot in a Safety-Net Clinic» - in: «Annals of Family Medicine», April 2017
Die Forscher baten 101 Patienten von 28 Ärzten der Adult Medicine Clinic at Harborview Medical Center in Seattle, im Wartezimmer die Themen in ihre Patientengeschichte in einen Computer einzutragen, über die sie mit dem Arzt reden wollten. 
Die Erfahrungen waren so positiv, dass 82 Prozent der Ärzte und 73 Prozent der Patienten das System beibehalten wollten. Den Ärzten half es besonders bei der Festsetzung der Prioritäten. Die Patienten wiederum fanden, dass die Ärzte besser vorbereitet waren. Auch fühlten sie sich besser verstanden.

«Ach, übrigens...»

Die Zusammenarbeit im Agenda Setting hilft den Patienten nicht nur, ihre Themen frühzeitig zu formulieren. Die Gefahr, dass einer auf der Türschwelle umdreht mit der Bemerkung «Ach, übrigens...», sinkt. Sie trägt auch zur Beruhigung des Arztbesuchs bei. In der Pilotstudie brachte es ein Patient auf den Punkt: «Ich gebe meinem Arzt meine Informationen, damit ich nicht nervös werde und alles vergesse».
Der führende Studienautor McHale Anderson wirft einen Blick in die Zukunft. Er glaubt, «der Einbezug von Patienten in ihr eigenes Patientendossier wird die nächste grosse Veränderung in der medizinischen Praxis sein.»
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Abnehmspritzen wirken – aber unabhängige Daten fehlen

Die Datenlage bei Abnehmspritzen ist einseitig: Fast alle Studien stammen von den Herstellern selbst. Forschende warnen vor Interessenkonflikten – und fordern unabhängige Langzeitstudien.

image

Pharmagelder 2024: Zuwendungen an Schweizer Ärzte steigen leicht

2024 erhielten Ärzte, Spitäler und Fachgesellschaften zusammen 262 Millionen Franken – 16 Millionen mehr als im Jahr davor.

image

Studie: Immuntherapie steigert Überlebenschancen bei Lungenkrebs

Eine Studie des Kantonsspitals Baden und des Unispitals Basel zeigt: Wenn Patienten mit Lungenkrebs schon vor der Operation eine Immuntherapie erhalten, überleben deutlich mehr von ihnen die ersten fünf Jahre.

image

Auf dem richtigen Weg

Der Markt für Krankenhaus-Informationssysteme (KIS) befindet sich in einer Phase tiefgreifender Transformation. Die aktuellen Trends und Herausforderungen der Branche sowie die Erwartungen der Kliniken beleuchtet Dirk Müller, Director Product Management CIS4U bei Dedalus HealthCare.

image

Fünf goldene Regeln, wie Ärzte den Patienten Zahlen verständlich machen

Laborwerte, Risiken, Therapieeffekte – viele Aufklärungsgespräche scheitern an medizinischen Zahlen. Doch wie erläutert man, was eine Behandlung bringt? Ein Vorschlag.

image

«Manche haben unrealistische Erwartungen an die Schweiz»

Die Schweiz erscheint für viele ausländische Ärzte als Traumland. Was es braucht, damit der Jobwechsel gelingt, erklären die Ärztevermittler Francesca und Jan Saner.

Vom gleichen Autor

image

Pflege: Zu wenig Zeit für Patienten, zu viele Überstunden

Eine Umfrage des Pflegeberufsverbands SBK legt Schwachpunkte im Pflegealltag offen, die auch Risiken für die Patientensicherheit bergen.

image

Spital Frutigen: Personeller Aderlass in der Gynäkologie

Gleich zwei leitende Gynäkologen verlassen nach kurzer Zeit das Spital.

image

Spitalfinanzierung erhält gute Noten

Der Bundesrat zieht eine positive Bilanz der neuen Spitalfinanzierung. «Ein paar Schwachstellen» hat er dennoch ausgemacht.