Infektionsraten in Spitälern: Wer sucht, der findet

Eine grosse Berner Studie zur Spitalhygiene zeigt: Wer genauer hinschaut, findet häufiger Infektionen. Oder höhere Infektionsraten korrelieren mit höheren Audit-Scores.

, 19. Februar 2021 um 09:00
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Zwischen der erfassten Infektionshäufigkeit nach ausgewählten Eingriffen und dem Abschneiden in Qualitäts-Audits gibt es einen «deutlichen» Zusammenhang. Zu diesem Resultat kommt jetzt eine Forschungsteam unter Leitung des Berner Inselspitals und der Universität Bern.
Tiefere Infektionsraten (SSI-Rate) nach Operationen korrelieren demnach mit einem tiefen Audit-Score. Oder umgekehrt: Wer genauer hinschaut, findet häufiger Infektionen, teilen die Forscher mit. 

Qualität der Überwachungssysteme berücksichtigen

Je besser ein Spital im Rahmen des 50-Punkte-Audits abschnitt, desto mehr Infektionsfälle waren entdeckt beziehungsweise gemeldet worden. Dies traf auf alle drei untersuchten Operationsarten zu: Knie- und Hüftimplantate sowie Dickdarmoperationen.
«Die Studie zeigt, dass bei der Interpretation von postoperativen Wundinfekten grundsätzlich auch die Qualität der jeweiligen Überwachungssysteme zu berücksichtigen ist und das unabhängig von der Art des Eingriffs und der Infektionsrate», sagt Andrew Atkinson von der Universitätsklinik für Infektiologie am Berner Inselspital.

Was genau gemessen wurde

Analysiert wurden knapp 82 000 Hüft- und Knieoperationen aus 125 Spitälern und über 33 300 Dickdarmoperationen aus 110 Spitälern der Schweiz. Es wurden pro Standort mindestens zwei externe Audits durchgeführt, um die Qualität der Überwachung zu erfassen. Grundlage für die Arbeiten waren die Richtlinien von Swissnoso. Die detaillierten Auditergebnisse wurden in einer Gesamtnote zwischen 1 und 50 zusammengefasst und von drei speziell geschulten Fachleuten durchgeführt.

Privatspitäler bilden einen Cluster

Konkret lag die SSI-Rate für Knie- und Hüftimplantate bei 1.0 Prozent mit einem Audit-Score von 37. Die Infektionsrate für Dickdarmoperationen lag erwartungsgemäss höher bei 12.7 Prozent bei einem leicht höheren Audit-Score von 38. 
Die einzelnen Werte der Spitäler lagen teils sehr weit auseinander. Bei einer Auswertung nach Spitaltypen ergaben sich Hinweise, dass Privatspitäler einen Cluster bilden, der im unteren Bereich der Audit-Scores und der Infektionsraten liegt. 

Ansporn vorne mitzumachen wird grösser

Das Forschungsteam macht auch gleich einen konkreten Vorschlag für künftige Auswertungen und nationale Vergleiche von SSI-Raten. Sie stellen eine rechnerische Korrektur unter Einbezug des Audit-Scores zur Diskussion, um möglichst ein realitätsnahes, korrektes Benchmarking zu ermöglichen. 
«Erstmals haben wir mit dieser Studie eine Grundlage, um die Infektionszahlen schweizweit vergleichbarer zu machen und besser zu verstehen», sagt Jonas Marschall vom Inselspital, Chefarzt der Infektiologie und der Spitalhygiene. Nun müssten wir uns anstrengen, dass die regelmässigen Vergleiche unter den Schweizer Spitälern noch aussagekräftiger und der Ansporn ganz vorne mitzumachen noch grösser werden.
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