Die Arbeitsbelastung für das Spitalpersonal im Spitalzentrum Oberwallis (SZO) war während der Corona-Pandemie sehr unterschiedlich – wie in allen andere Spitälern je nach Abteilung. Viele erfahrene Mitarbeitende sahen sich aber plötzlich täglich mit sehr schwer kranken und vielen sterbenden Menschen konfrontiert, sagt Hugo Burgener in einem Interview mit der Zeitung «Walliser Bote». Er ist überzeugt: Zahlreiche Mitarbeitende verarbeiten noch heute diese enorm schwierigen Erfahrungen.
Schwierige Abschiedsprozesse hätten nicht nur bei den Angehörigen zu tiefen Wunden geführt. Auch für das Spitalpersonal war es eine ganz neue und sehr befremdliche Erfahrung, dass die Familie und die Angehörigen bei der Pflege oder auch beim Sterben ihres Nächsten nicht oder nur sehr kurz anwesend sein durften, so Burgener.
Verschiedene Berufe seien zusammengewachsen
Der promovierte Ökonom selbst war während der gesamten Corona-Zeit nicht einen einzigen Tag zu Hause im Homeoffice. In einem Umfeld, wo über 90 Prozent aller Leistungen direkt vor Ort erbracht würden, sei es selbstverständlich, dass der oberste Chef jeden Tag an der Front sei. Um die Bedürfnisse und Probleme der Mitarbeitenden sowie Patienten zu spüren und bei der Lösungssuche zu unterstützen, sagt er.
Generell waren die ersten zwei Corona-Wellen für das Kaderteam gemäss Burgener eine «unglaubliche Belastung». Man habe während Monaten am Tag und in der Nacht, werktags und am Wochenende gearbeitet. Und niemand habe dafür auch nur eine Minute Überzeit geschrieben. «Während dieser Zeit sind aber die verschiedenen Berufe der Pflege, Ärzte und Verwaltung stärker denn je zusammengewachsen», sagt Burgener, früher Stellvertretender Chef der Walliser Dienststelle für Gesundheitswesen.
Flexible Arbeitsformen statt Lohnerhöhung
Die täglichen Stresssituationen vor, während und nach Corona können allerdings nicht mit einer Lohnerhöhung ausgeglichen werden, wie er der Zeitung weiter sagt. «Jede und jeder von uns möchte grundsätzlich genug oder lieber noch mehr verdienen.» Der Fokus des Spitals liege dementsprechend viel mehr bei der Ausgestaltung von modernen Arbeitsmodellen: unbezahlter Urlaub, Teilzeitarbeitsmodelle, Jahresarbeitszeiten und Sabbaticals – oft auch als Mischungen.
Heute seien sechsmonatige Urlaube, um wieder mal richtig zur Ruhe zu kommen und um eventuell auf einer fernen Reise sich selbst wiederzufinden, sehr häufig. Für solch lange Absenzen haben das SZO unter anderem einen «Springer-Pool» geschaffen. Denn Mitarbeitende, die nach solch einem Unterbruch wieder ausgeglichen und mit Freude zur Arbeit kommen, stellen einen riesigen Gewinn für die Patienten dar, wie der ehemalige Unternehmensberater bei Arthur Andersen sagt.
Keine coronabedingte Kündigungswelle
Der 49-jährige Spitaldirektor stellt am Spitalzentrum Oberwallis ferner weder einen Pflegenotstand noch eine coronabedingten Kündigungswelle fest. Eine detaillierte Analyse der Personalfluktuation zeige, dass im Jahr 2020 die monatliche Fluktuationsrate bei 0,8 Prozent liege. Dies ergebe gegenüber den Vorjahren nicht die geringste Erhöhung. Im laufenden Jahr 2021 sei diese Fluktuationsrate sogar leicht gesunken – auf 0,5 Prozent monatlich. Auch bei Austrittsgesprächen wurde bis anhin die «Corona-Müdigkeit» laut Burgener kaum je als Austrittsgrund thematisiert.