Jedes Täli sein Spitäli. Im Kanton St. Gallen gibt es viele Täli, aber auch einige unrentable Spitäli. Eines davon steht in Wattwil im Toggenburg. Am Sonntag stimmt der Souverän im Kanton St. Gallen darüber ab, wie es mit dem Spital weitergeht. Wobei die Stimmberechtigten nicht über die Schliessung befinden, sondern über die Frage, ob das Bauvorhaben am Standort Wattwil fertig umgesetzt werden soll oder nicht.
Die Sache ist verzwickt: Am 30. November 2014 genehmigten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger des Kantons St. Gallen einen Kredit von 85 Millionen Franken für die Erneuerung und Erweiterung des Spitals Wattwil. Bis heute sind davon 63 Millionen ausgegeben worden.
Gesundheitszentrum statt Akutspital
Doch der Urnenentscheid von Ende 2014 ist inzwischen obsolet geworden. Denn in der zurückliegenden Novembersession hat der Kantonsrat die neue Spitalstrategie verabschiedet. Danach sollen die Tage des Akutspitals Wattwil gezählt sein. Es wird in ein Gesundheits-, Notfall- und Kompetenzzentrum für spezialisierte Pflege (GNP) umgewandelt.
Die Abstimmungsvorlage, über die am Sonntag abgestimmt wird, trägt den sperrigen Titel: «Nachtrag zum Kantonsratsbeschluss über die Erneuerung und Erweiterung des Spitals Wattwil». Lehnen die Stimmberechtigten die Vorlage ab, müsste die Spitalregion Fürstenland Toggenburg das ursprüngliche Bauprojekt fertigstellen.
Das Problem ist aber, dass die neu erbaute Infrastruktur vom GNP nicht benötigt wird. Die Abläufe des GNP würden sich von einem konventionellen Spitalbetrieb grundlegend unterscheiden.
Wie aber die Regierung am 11. März 2021 in einer Stellungnahme schreibt, sei der Beschluss des Kantonsrats vom November 2020, das Spital in ein Gesundheits-, Notfall- und Kompetenzzentrums für spezialisierte Pflege (GNP) umzuwandeln, von der Referendumsabstimmung nicht tangiert.
Fehlinvestition von 22 Millionen
«Bei Realisierung eines GNP wäre die Fertigstellung des Bauvorhabens somit gleichbedeutend mit einer Fehlinvestition von 22 Millionen Franken», so die Regierung wörtlich. Oder etwas salopp ausgedrückt: Unterstützen die Stimmberechtigten das Referendum und lehnen die Vorlage ab, so werden 22 Millionen Franken in den Sand gesetzt.
Dass es überhaupt zu einer Abstimmung kommt, ist einem Referendumskomitee zu verdanken, das im Nu 8600 Unterschriften zusammenbrachte – mehr als doppelt so viel als die benötigten 4000.
Das vornehmlich aus SP-Leuten zusammengesetzte Komitee geht davon aus, dass eine Fertigstellung des Bauprojekts auch den Erhalt des Spitals Wattwil sichert, was die Regierung jedoch verneint. «Eine allfällige Annahme des Referendums wäre nicht gleichbedeutend mit dem Erhalt von Wattwil als Standort für ein Akutspital», schreibt sie in der genannten Stellungnahme.
Donja Gehrig ist Juristin und sass für die FDP im Gemeinderat von Wattwil. «Mit der Rücknahme der Neubau-Finanzierung und dem Kantonsratsbeschluss zu den Spitalstandorten haben Regierung und Kantonsrat den Volksentscheid von 2014 zur Neubau-Finanzierung ausgehebelt», sagte sie dem Onlineportal St.Gallen24. «Wenn die Stimmbevölkerung mit einem Ja zum Referendum den 2014er-Entscheid bestätigt, würde die Politik mit der Spitalschliessung den Volkswillen erneut missachten. Das ist eines Rechtsstaats unwürdig.».
Wattwil und Wil - beides geht nicht
Wird also der Kantonsrat bei einem deutlichen Nein der Vorlage nochmals über die Bücher gehen? Falls ja, müsste er auf seinen Beschluss vom November 2020 zurückkommen, der übrigens mit grosser Mehrheit zustande kam. Damit aber in Wattwil weiterhin ein Akutspital betrieben werden kann, müsste zudem die Strategie der Spitalverbunde überarbeitet werden.
Zu diesem Zweck müsste ausserdem die Finanzierung geregelt werden. Die Spitalregion Fürstenland Toggenburg wäre angeblich nicht in der Lage, das defizitäre Akutspital zu betreiben.
Wattwil ist das eine; Wil etwas anders. Bleibt in Wattwil ein Akutspital in Betrieb, wird andererseits das Spital in Wil laut Angaben der Regierung nicht auf die erforderlichen Fallzahlen kommen, um den Betrieb kostendeckend betreiben zu können.