So viel kosten uns Absenzen während der Grippewelle

Über 100 Millionen Franken jährlich betragen die Produktivitätsverluste bei Grippe-Erkrankungen in der Schweiz. Die Kosten variieren dabei zwischen Altersklassen oder Regionen.

, 19. Oktober 2021 um 13:47
image
  • forschung
  • epidemiologie
  • grippe
  • influenza
Fieber Husten, Halsschmerzen: Jährlich kommt es wegen Grippe und grippeähnlichen Erkrankungen in der Schweiz zu tausenden Konsultationen und Spitaleinweisungen. Damit verbunden sind erhebliche direkte medizinische Kosten – insbesondere bei stationären Behandlungen. 
Eine wirtschaftliche Belastung stellen aber auch gleichzeitig die sogenannten indirekten Kosten dar. Diese entstehen aufgrund von Produktivitätsverlusten durch verlorene Arbeitstage: durch Arbeitsunfähigkeit oder Pflege von Angehörigen. 

Bis zu 324 000 verlorene Arbeitstage

Ein Forschungsteam um Yuki Tomonaga von der Universität Zürich (UZH) hat nun diese indirekten Kosten für die Jahre 2016 und 2017 berechnet. Die geschätzte Gesamtzahl der verlorenen Arbeitstage in der Schweiz waren im Jahr 2016 rund 324 000 und ein Jahr später 278 000. 
Demnach beliefen sich die Gesamtkosten wegen Arbeitsunfähigkeit 2016 auf 115 Millionen Franken und 2017 auf 103 Millionen Franken. Die Daten für die Hochrechnung holten die Forscher unter anderem aus dem Sentinella-Meldesystem und vom Bundesamt für Statistik. Die Berechnung erfolgte mittels Human Capital Approach.

Männer verursachten deutlich höhere Kosten

Gemessen an den geschätzten Kosten durch Arbeitsunfähigkeit pro 100 000 Einwohner verursachten Männer deutlich höhere Kosten als Frauen: rund 1,9 Millionen Franken gegenüber 1,4 Millionen Franken pro 100 000 Einwohner im Jahr 2016 und rund 1,7 Millionen Franken gegenüber 1,2 Millionen Franken im Jahr 2017.
Die Zahl der verlorenen Arbeitstage war bei Männern entsprechend generell höher. Die Hauptgründe dafür sind die Tatsache, dass mehr Männer als Frauen aufgrund von Symptomen einer grippeähnlichen Erkrankung einen Arzt aufsuchten. Zudem hatten Männer eine allgemein höhere Beschäftigungsquote.
image
Screenshot Swiss Med Wkly

Kosten je nach Altersgruppe 

Aus der Analyse geht weiter hervor: Die Kosten für Produktivitätsverluste durch Influenza und grippeähnliche Erkrankungen in der Schweiz können zwischen verschiedenen Jahren, Regionen und Altersklassen stark variieren. Die nach Altersgruppen geschichteten Kostenschätzungen zeigen etwa, dass die höchsten Gesamtkosten 2016 auf die 26 bis 35-Jährigen und 2017 auf die Altersklasse 36 bis 45 Jahre fielen. 
image
image
Screenshot Swiss Med Wkly

Zentralschweiz hatte die höchsten Kosten

Unterschiede existieren auch zwischen den verschiedenen Regionen. So hatte im Jahr 2016 die Zentral oder Nordostschweiz die höchsten Kosten pro 100 000 Einwohner, während die Südwest- und Mittelwestschweiz die niedrigsten Kosten aufwies. Die Regionen mit den höchsten Kosten im Jahr 2017 waren die Nordwest- und die Nordostschweiz. Die geschätzten Kosten in allen anderen Regionen lagen damals weit darunter.  
image
image
Southwest: GE, NE, VD, VS; Midwest: BE, FR, JU; Northwest: AG, BL, BS, SO; Central: LU, OW, NW, UR, SZ, ZG; Northeast: AI, AR, GL, SG, SH, TG, ZH; Southeast: GR, TI. | Screenshot Swiss Med Wkly

Indirekte Kosten könnten noch höher sein

Allerdings können die indirekten Gesamtkosten über den vorgelegten Schätzungen liegen, räumen die Autoren am Schluss der Studie ein. Dies, weil in der Analyse nicht alle Ursachen von Produktivitätsverlusten berücksichtigt werden konnten. Als Beispiel hierfür nennen die Forscher kurzfristige Arbeitsunfähigkeit ohne Arztbesuch, Spitalaufenthalte, vorzeitige Pensionierung oder vorzeitiger Tod.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Zigarettenab­fälle verbreiten resistente Keime

Wenn Zigarettenfilter in Gewässern landen, können sich darauf krankheitserregende Keime und Bakterien mit Antibiotikaresistenzen ansiedeln, zeigt eine Studie.

image

Zurück auf die Beine: Stimulation hilft Gelähmten beim Gehen

Ein neues Verfahren aus Lausanne verbindet Rückenmark-Stimulation mit Robotik – um bei Querschnittgelähmten die Muskelkoordination zu verbessern. Das System könnte weltweit in Reha-Kliniken eingesetzt werden.

image

KI auf Abwegen: Wenn das Röntgenbild sagt, dass einer Bier trinkt

Künstliche Intelligenz birgt in der Medizin ein heikles Risiko: das «Shortcut Learning». Dabei liefern Algorithmen völlig akkurate Ergebnisse – die kreuzfalsch sind.

image

Studie untermauert die heilende Wirkung der Spitalclowns

Bei Lungenentzündung führten sie in Kinderspitälern zu einer deutlich kürzeren Aufenthaltsdauer. Auch waren bestimmte Marker besser.

image

Leberkrebs: Ein weiterer Schritt zur vollständigen Remission?

Eine internationale Studie unter Genfer Leitung zeigt, dass ein genaues Intervall zwischen Immuntherapie und Lebertransplantation die Chancen auf eine vollständige Remission des hepatozellulären Karzinoms maximieren könnte.

image

Onkologie-Patente: Europa lahmt, USA und China ziehen davon

Viele Ideen, wenige Durchbrüche: Europäische Firmen spielen eine Schlüsselrolle in der Krebsforschung – noch. Der alte Kontinent droht den Anschluss zu verlieren.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.