Pharmagelder: Jetzt gibt es die Ärztedatenbank auch in der Schweiz

Ab sofort können Sie online nachschauen, welcher Arzt oder welches Spital welches Geld von welchem Pharmaunternehmen erhalten hat. Trotzdem: Was der Kollege nebenan oder der Hausarzt an Honoraren kriegt, ist damit noch lange nicht klar.

, 18. August 2016 um 18:03
image
  • pharma
  • praxis
  • transparenzinitiative
Vor einem Monat wurde die Transparenzinitiative konkret: Da veröffentlichten in der Schweiz insgesamt 59 Pharmafirmen, welche Summen sie welchen Ärzten und Medizin-Institutionen im letzten Jahr überwiesen hatten – als Spesen, für Vorträge, als Spenden, für Forschungsaufträge, als Beratungshonorare et cetera.
Die Idee dahinter ist, Glaubwürdigkeit zu schaffen und ein Bild einer allenfalls bestehenden Abhängigkeit zu bieten.

Es war alles verzettelt

Getrübt wird dieses Bild dadurch, dass nicht alle Pharmafirmen mitmachten (aber die meisten) – und dass es auf der anderen Seite den empfangenden Ärzten und Institutionen freigestellt blieb, ob ihre Gelder publiziert werden. Und so gab nur eine Minderheit von etwa 30 Prozent ihr Einverständnis zur Veröffentlichung.
Obendrein: Die Pharma-Gelder blieben trotz Veröffentlichung bislang recht versteckt. Denn jede Firma schaltete irgendwelche PDF-Files irgendwo auf ihre Website. Und wer beispielsweise als Patient wissen wollte, ob sein Hausarzt auch Zuwendungen von Sandoz, AstraZeneca oder Actelion erhält, musste sich durch 59 Websites stöbern.
Nun hat die Zeitschrift «Beobachter» zusammen mit der deutschen Recherche-Plattform «Correctiv» die Daten zusammengetragen und neu gebündelt. Auf einer offen zugänglichen Datenbank kann man nun Ärzte, Spitäler und Institutionen über den Namen suchen – oder auch über die Adresse.
image
Man sieht viele bescheidene Beträge, aber teils auch grosse Summen. An der Spitze bei den Einzelpersonen stand letztes Jahr der Onkologe Matti Aapro, der an der SMN-Klinik in Genolier tätig ist. Er erhielt von Novartis und Sandoz insgesamt 97'200 Franken für Honorare und Spesen. Und bei den Institutionen ging der grösste Brocken an die Patientenorganisation Excemed, welche von Merck Schweiz über 4 Millionen Franken an Spenden erhielt.
Insgesamt finden sich über 138 Millionen Franken, welche 2015 an Leistungserbringer und NGOs im Schweizer Gesundheitswesen verteilt wurden.

Etwas mehr als ein Zehntel für Einzelpersonen

Allerdings: Der Anteil für einzelne Ärzte, Heilberufler und Apotheker war mit 15,5 Millionen Franken dabei fast schon ein Randbetrag. Und dabei fällt weiter auf, dass die Empfänger hier oft Adressen wie Rämistrasse 100 in Zürich, Freiburgstrasse in Bern oder Rue du Bugnon in Lausanne hatten (wo dann beispielsweise das USZ, das Inselspital und das CHUV beheimatet sind).
Der «normale» Hausarzt oder die typische Ärztin in einer Gruppenpraxis haben Seltenheit. Sei dies, weil sie ihre Daten nicht veröffentlicht haben wollen. Oder sei es, dass sie einfach keine Gelder erhielten von Pharmafirmen. 
Stellt man jedenfalls die Zahl der in der neuen Datenbank erfassten Mediziner den 18'000 im ambulanten Bereich tätigen Ärzten gegenüber, so scheint dies nicht unwahrscheinlich.
So oder so: Dass man einfach nachschauen kann, was der eigene Arzt so nebenbei abholt, ist selbst jetzt nicht selbstverständlich. Dennoch könnte die neue Datenbank auf enormes Interesse stossen. Als Correctiv gemeinsam dem «Spiegel» dasselbe Angebot in Deutschland veröffentlichte, brachen die Server ob des Ansturms zusammen.

Stiftung für Konsumentenschutz: «Scheintransparenz»


Die Konsumentenschützer halten offenbar gar nichts von der Sache. In einer Mitteilung legt die Stiftung für Konsumentenschutz dar, weshalb die so genannte Transparenzinitiative aus ihrer Sicht «nicht hält, was sie verspricht». Der Teufel, so lässt sich entnehmen, steckt im Detail.
Konkret: Die SKS bat die 59 beteiligten Unternehmen, ihr die Daten so zur Verfügung zu stellen, dass man sie in verständlicher Form aufbereiten kann (also so wie sie nun beim «Beobachter» lesbar sind). 30 angefragte Unternehmen reagierten nicht, die anderen 29 lehnten ab. Begründungen waren:

  • «Ziel […] ist die Schaffung von Transparenz bezogen auf das jeweilige Unternehmen und nicht die Schaffung einer Vergleichsplattform.» (Mepha)
  • «Eine unmittelbare Vergleichbarkeit der Daten […] ist damit zwar nicht gegeben. Dies war und ist aber auch nicht das Ziel der Transparenzinitiative. Vielmehr geht es um die Schaffung grösstmöglicher individueller Transparenz.» (Novo Nordisk)
  • «Die bereits erfolgte Publikation […] erlaubt allen Interessierten einen ausführlichen Überblick über die finanziellen Transaktionen. Die darin enthaltenen Informationen dienen keinem anderen Zweck als dem Nachweis eines transparenten Geschäftsgebarens und sollten daher auch nicht anderweitig verwendet werden.» (Baxalta / Shire)
Jede Zahlung einzeln


«Um die Auswertung der Daten zu erschweren, wenden die beteiligten Pharmaunternehmen verschiedene Tricks an: Die Zahlen müssen bei allen Unternehmen einzeln auf deren oft unübersichtlichen Internetseiten zusammengesucht werden», so der SKS-Bericht weiter. Teils publizieren die Pharmafirmen ihre Daten auch nur auf PDF-Listen, die über Dutzende Seiten jede Zahlung einzeln aufführen, ohne einen Totalbetrag anzugeben. Und einige verhindern, dass mittels Suchfunktion nach einzelnen Ärzten oder Institutionen gesucht werden kann.
Erwähnt sei allerdings auch, dass andere Branchen ihre Honorare, Spenden, Sponsorengelder oder Spesen für Leistungserbringer überhaupt nicht ausweisen – insbesondere die Medizinaltechnik.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Migros: 1,3 Milliarden Umsatz im Gesundheitswesen

Der Detailhandels-Konzern baut sein Healthcare-Netzwerk auch nach dem Abgang von Fabrice Zumbrunnen aus.

image

Ex-KSW-Chefarzt lanciert interventionell-radiologische Tagesklinik

Christoph Binkert verbündet sich mit dem Medizinisch-Radiologischen Institut MRI in Zürich.

image

29 von 30 Apotheken wollten teurere Medikamente verkaufen

Ein Test des «K-Tipps» gibt ein wenig schmeichelhaftes Bild ab: Nur eine Apotheke empfahl wunschgemäss auf Anhieb das billigste Medikament.

image

J&J hat es wieder geschafft – Top Employer 2024

Zum fünften Mal in Folge wurde Johnson & Johnson vom Top Employer Institute ausgezeichnet.

image
Gastbeitrag von Peter Baumgartner

Ambulante Psychiatrie: Ohne neue Berufsprofile und KI wird’s kaum gehen

Der Fachkräftemangel in der Psychiatrie verlangt einen massiven Umbau der Versorgung. Aber wie? Ein realistisches Zukunftsszenario.

image

Und wie schliessen wir dann das EPD an unser KIS an?

Fast 400 Millionen Franken nimmt der Bund in die Hand, um das Gesundheitswesen zu digitalisieren. Zugleich nimmt er die Software-Anbieter und Spitäler in die Pflicht.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.