«Pflegende bekommen die volle Härte der Epidemie zu spüren»

Die Belastung durch den Coronavirus sei für das Personal enorm, sagt Yvonne Ribi, Geschäftsführerin des Berufsverband der Pflegefachpersonen SBK. Was es braucht, damit das Personal während der Krise leistungsfähig bleibt, sagt sie im Interview.

, 13. März 2020 um 10:46
image
Frau Ribi, der Coronavirus hat die Schweiz im Griff. Wie ist die aktuelle Situation für die Pflegefachkräfte?
Die Situation ist angespannt und zwar in allen Versorgungsbereichen. Die verschiedenen Institutionen bereiten sich auf zunehmende COVID-19 Fälle vor. Es werden Überstunden und Zusatzschichten geleistet, denn neben den COVID-19 Patienten läuft die Gesundheitsversorgung ja weiter.
Den Pflegefachkräften kommt in der Krise eine zentrale Bedeutung zu - gleichzeitig müssen auch die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfüllt und der Schutz am Arbeitsplatz gewährleistet sein. Ist das aktuell der Fall?
Der Schutz des Pflege- und Gesundheitspersonals steht für uns – mit dem Schutz der Risikogruppen - an oberster Stelle. Neben genügend Schutzmaterial müssen auch Ruhezeiten eingehalten werden, damit das Personal nicht ausbrennt, denn die Krise dauert wahrscheinlich einige Wochen oder Monate. Das bedeutet, dass Wahleingriffe nun abgesagt werden müssen und das Personal am richtigen Ort einzusetzen ist. Da stehen die Betriebe und die öffentliche Hand in der Verantwortung.
image
Yvonne Ribi, ist Geschäftsführerin des Berufsverband der Pflegefachpersonen SBK | zvg
Wie gehen Ihre Mitglieder und Ihr Verband mit die Spannungsfeld - gebraucht zu werden und sich aber auch selbst schützen zu wollen und zu müssen - um?
Pflegefachpersonen geben oft ihr Äusserstes für die Patientinnen und Patienten. Aber auch der Selbstschutz ist dabei wichtig. In der aktuellen Krise ist aber auch an den Vorgesetzten, die Einsätze und deren Dauer machbar zu gestalten. Mit Blick auf Berichte von Pflegenden aus Italien ist das eine Herausforderung. Deshalb: Es muss alles dafür getan werden, dass so eine Situation wie in Italien nicht eintrifft! Die Fallzahlen müssen unbedingt tief gehalten werden. Deshalb bitten wir die Gesellschaft eindringlich, sich strikte an die Hygienemassnahmen zu halten!
Was läuft aus Ihrer Sicht gut?
Es wird transparent und rasch informiert, das scheint auch in den Betrieben der Fall zu sein.
Gibt es Sachen, die aktuell nicht so laufen, wie sie sollten?
Die Knappheit an Schutzmaterial und Desinfektionmittel ist eine Herausforderung. Wir wissen aber auch, dass die Behörden alles versuchen, die Situation zu entspannen. Zudem sind die rasch steigenden Fallzahlen beunruhigend, denn die Schweiz verfügt über eine begrenzte Anzahl Plätze auf Intensivstationen und entsprechendes Fachpersonal. Deshalb: Wir müssen die Fallzahlen tief halten! Und nicht nur die Spitäler sind durch COVID-19 gefordert, auch die ambulante Pflege, die Heime, die Reha und die Psychiatrie. Es gilt in allen Institutionen die Risikogruppen zu schützen. Deshalb muss beim Schutzmaterial (Masken etc.) auch an diese Pflegebereiche gedacht werden
Die Situation könnte sich weiter und massiv zuspitzen - was würde das für die Pflege bedeuten?
Die Pflegenden sind an der Front dieser Krise, die bekommen – wie man aus Italien sieht – die volle Härte der Epidemie zu spüren. Weitere Zusatzschichten, Überstunden, Ferienstopp etc. könnten die Folge sein. Von der psychologischen Belastung einmal abgesehen. Deshalb: Wir müssen die Fallzahlen unbedingt tief halten!
Haben Sie Forderungen an die Arbeitgeber und die Politik?
Es braucht jetzt Massnahmen – auch wenn sie wirtschaftlich einschneidend sind – die verhindern, dass das Gesundheitswesen überfordert wird. Nur so können Todesfälle und der Schutz des Gesundheitspersonals gewährleistet werden.
Bald könnte es zu Schulschliessungen kommen. Die Mütter und Väter unter dem Pflegefachpersonal könnte das vor grosse Probleme stellen. Sehen Sie da eine Lösung?
Hier müssten wahrscheinlich andere Bezugspersonen der Kinder deren Betreuung übernehmen, denn die Pflegenden werden in den Spitälern, Heimen, der Spitex etc. gebraucht.
Das Interview wurde am Freitagvormittag schriftlich geführt.

Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Thurmed Gruppe sucht neuen Finanzchef

CFO Peter Heri will nach 16 Jahren im Amt kürzertreten.

image

Spital STS führt Spital Zweisimmen uneingeschränkt durch den Winter

Der STS-Verwaltungsrat will damit der Region und den Angestellten weiter Perspektiven geben.

image

LabPOCT: Ein Werkzeug für all Ihre Laborgeräte

Mit dem System LabPOCT bietet Sonic Suisse ein Cockpit, mit dem Sie sämtliche Analysen verwalten können – sowohl das eigene Praxislabor als auch das externe Sonic Suisse-Labor.

image

Swiss Nurse Leaders: Wechsel im Vorstand

Hans-Peter Wyss vom Spital Menziken folgt auf Ursi Rieder.

image

KSBL: Zwei Spitäler? Oder ein neues? Der Entscheid fällt 2026.

Die Regierung von Baselland präsentiert ein Rahmenprogramm für die Gesundheits-Versorgung. Sie prüft dabei auch ein Darlehen, damit das Kantonsspital über die nächsten Jahre kommt.

image

Die IS-H-Alternative bereits im Hause

Universitätsklinikum Köln deckt Prozesse von der Aufnahme bis zur Abrechnung in ORBIS ab.

Vom gleichen Autor

image

Covid-19 ist auch für das DRG-System eine Herausforderung

Die Fallpauschalen wurden für die Vergütung von Covid-19-Behandlungen adaptiert. Dieses Fazit zieht der Direktor eines Unispitals.

image

Ein Vogel verzögert Unispital-Neubau

Ein vom Aussterben bedrohter Wanderfalke nistet im künftigen Zürcher Kispi. Auch sonst sieht sich das Spital als Bauherrin mit speziellen Herausforderungen konfrontiert.

image

Preisdeckel für lukrative Spitalbehandlungen?

Das DRG-Modell setzt Fehlanreize, die zu Mengenausweitungen führen. Der Bund will deshalb eine gedeckelte Grundpauschale - für den Direktor des Unispitals Basel ist das der völlig falsche Weg.