Neue Kooperationsmodelle für Spitäler

Die Spitallandschaft ist unter Druck. Mehr denn je. Zeit, über neue Kooperationsmodelle nachzudenken. Im Bankwesen gibt es Vorbilder.

, 20. November 2021 um 08:01
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  • daniel heller
  • spital
  • gastbeitrag

Spitäler sind heute mit mannigfaltigen Herausforderungen konfrontiert. Stichworte lauten:


  • Anhaltender Kostendruck aus Politik und seitens Versicherer;
  • Tendenziell sinkende Erträge;
  • Steigende Qualitätsanforderungen;
  • Kampf um Talente in allen Bereichen;
  • Zwang zu ständiger Erneuerung von Infrastruktur, Technologien und Prozessen;
  • Steigende Gefahr von politischen Interventionen durch Bund und Kantone.

Das erfordert als Kern-Kompetenzen der Häuser und ihrer Führungsorgane:

  • Hohe Flexibilität und Professionalität im Management;
  • Kostenführerschaft dank Lean Management;
  • Konzentration auf regionale Marktbearbeitung;
  • Grösse und damit Einkaufsmacht bei Lieferanten, Versicherern etc;
  • Verhandlungsgewicht gegenüber Tarifpartnern;
  • Wettbewerb um gute Qualität und Kundenfreundlichkeit unter Anwendung der Digitalisierung und neu optimierter Prozesse;
  • Transparenz und Marketing zwecks Imagebildung im Bereich der Dienstleistungsqualität gegenüber Patienten, Politik und Geschäftspartnern.

Die wachsende Zahl der Spitäler, die aufgrund von Defiziten zur Ergreifung von kostenseitigen Massnahmen gezwungen sind, deuten darauf hin, dass ein Prozess in Gang gekommen ist, der mittelfristig zu einer Bereinigung der Spitallandschaft führt. Noch selten – und deutlich seltener als in anderen Branchen mit Strukturbereinigungen – kommt es zu Übernahmen, Kooperationen oder Fusionen. Eigentumsverhältnisse, politische Governance und Kantonsgrenzen verhindern bisher mehr.
Vor allem angesichts der politischen Governance, der kantonalen Kompetenzen und der politischen Interventionsbereitschaft braucht es kluge Modelle, um möglichst eigenständig und erfolgreich in Zukunft moderne und patientengerechte Spitalleistungen zu erbringen. Die Bankenwelt bietet Anschauungsunterricht, wie man auch zusammenarbeiten und damit besser überleben kann. Im Blickfeld sind Vertragskonzerne wie die Clientis Gruppe der Regionalbanken oder Konstrukte wie die Raiffeisenbanken. Sie funktionieren mit einem Corporate Center mit zentral gebündelten Dienstleistungen einerseits, andererseits aus juristisch eigenständigen, am Center als Shareholder beteiligten Mitgliedern, die sich voll auf den Vertrieb konzentrieren können. 

Vision

Ein halbes Dutzend führende grössere Zentrumsspitäler gründen einen Vertragskonzern bestehend aus:

  • einem schlanken Corporate Center, an der die Häuser nach Massgabe ihrer Grösse als Aktionäre beteiligt sind;
  • binden sich mit einem Gesellschafts- und Aktionärsbindungsvertrag;
  • sind offen für den Zuzug gleichgesinnter Häuser;
  • bieten via Corporate Center Dienstleistungen für ihre Eigentümer, aber im Sinne des Service Providers auch für andere Häuser an.

Die im Corporate Center gebündelten Services umfassen ausgewählte Dienstleistungen wie:

  • Einkaufs- und Verhandlungsgemeinschaft;
  • Knowhow Center für Qualitätsmanagement, Baufragen, Tariffragen, Managementprobleme aller Art, etc.;
  • Innovationsmanagement im Bereich neuer Technologien, KI und Digitalisierung;
  • Aus- und Weiterbildungsbildungspool inkl. Ärzte-Curriculum;
  • IT- Dienstleistungen – im Extremfall Anbieten eines Single Point of Contact mit gemeinsamer IT-Lösung für die angeschlossenen Häuser;

Die Häuser behalten ihre Namen, treten aber unter einer gemeinsamen Dachmarke schweizweit einheitlich auf (bspw. DACHMARKE und Name Spital; Byline "die führenden Zentralspitäler der Schweiz“). Selbstverständlich muss den neu zentral bereitgestellten Services eine entsprechende Kompensation von bisher dezentral erbrachten Diensten in den Häusern gegenüberstehen. Insgesamt muss sich der Businesscase für die Beteiligten rechnen.
Das Konstrukt belässt den Vertragspartnern höchstmögliche Eigenständigkeit, entlastet sie aber entscheidend und erlaubt ihnen, sich auf die Leistungserbringung am Patienten zu konzentrieren. Das Corporate Center wird durch einen erfahrenen Praktiker / Spitalmanager geführt. Die strategische Führung übernimmt ein Verwaltungsrat je hälftig aus Vertretern der beteiligten Häuser, hälftig aus unabhängigen Experten. Der Vertragskonzern führt neben der jährlichen Generalversammlung regelmässige Erfahrungs-Tagungen für Fachbereiche der beteiligten Häuser durch. Daneben treffen sich CEOs, Präsidenten und Kader der Häuser mit der Leitung des Corporate Centers zur Führung und Abstützung der Geschäfte.
Es wäre interessant, dieses Businessmodell, das bankenseitig erprobt ist und funktioniert auch für die Spitalwelt zu designen und in der Praxis zu erproben. 
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