Nach Kindstod: Geburtshaus in der Kritik

Eine erfahrene Hebamme stellt fest: Im Geburtshaus Zürcher Oberland in Bäretswil wurde bei Komplikationen immer wieder sehr lange zugewartet.

, 4. Juni 2019 um 06:00
image
Vor einem Jahr ist es nach einer Entbindung im Geburtshaus Zürcher Oberland in Bäretswil zu Komplikationen und zu einem tragischen Todesfall gekommen. Ein Neugeborenes ist nach der Verlegung ins Spital Wetzikon verstorben. Nun prüft die Zürcher Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung, wie die NZZ am Dienstag berichtet. 
Die ehemalige Hebamme Shefali Braun, die kurzzeitig im Geburtshaus in Bärenwil angestellt war, zeigt sich gegenüber der Zeitung nicht überrascht über eine mögliche Strafuntersuchung. «Ich habe festgestellt, dass im Geburtshaus Zürcher Oberland bei Komplikationen immer wieder sehr lange zugewartet wurde.»

Hebammen wollten Verlegung hinauszögern

Wenn die erfahrene Hebamme anmahnte, Gebärende wegen Komplikationen ins Spital zu verlegen, wollten andere Hebammen das hinauszögern, wie sie erklärte. «Auch solche, die über sehr viel weniger Erfahrung verfügten als ich.» Das war für Shefali Braun der Grund für die Kündigung. Bei Hausgeburten gebe es klare Zeitfenster.
Auch frühere Mitarbeiterinnen des Geburtshaus Bäretswil bestätigen laut der NZZ, dass man bei Komplikationen zu wenig rasch reagiere. Ausserklinische Geburten werden ausschliesslich von Hebammen begleitet, ohne Anwesenheit von Ärztinnen oder Ärzten. 

Ausserklinische Geburten immer beliebter

Die Geschäftsleitung des Geburtshauses wollte sich gegenüber der Zeitung  zu den möglichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht äussern. Auch die Vorwürfe von Shefali Braun möchte sie nicht kommentieren. Und das Spital Wetzikon werde erst nach Abschluss eines möglichen Verfahrens Stellung nehmen. Für die beschuldigten Personen des Geburtshauses gilt die Unschuldsvermutung. 
Der Wunsch von Frauen nach ausserklinischen Geburten hat in den letzen Jahren stetig zugenommen. Über zwanzig Geburtshäuser bieten gesamtschweizerisch inzwischen ihre Dienste an. Auch die Zahl der Hausgeburten steigt. Solche Entbindungen dürfen aber nur durchgeführt werden, wenn es kein Geburtsrisiko gibt.

Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Ressourceneffizienz bei Schweizer Spitälern

Interview von Unite mit Andrea Raida M.Sc., Projektleiterin Health Care Logistics am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML, über Ergebnisse des Forschungsprojekts «Green Hospital»

image

Hausgeburt? Ja – aber mit klaren Regeln

Der Schweizerische Hebammenverband hat erstmals eine evidenzbasierte Kriterienliste für Hausgeburten veröffentlicht.

image

Spital Uster baut den ersten Geburtspavillon

Bisher war es nur ein Konzept. Nun macht das Spital Uster mit dem Geburtshaus Zürcher Oberland den ersten konkreten Schritt hin zur neuen Geburtshilfe.

image

Bfs: Freitags kommen die meisten Babys zur Welt

Nahezu jede dritte Geburt erfolgt geplant – bevorzugt an Werktagen. Die meisten Kaiserschnitte gibt es im Kanton Schaffhausen, die wenigsten im Kanton Waadt.

image

«Versorgungskrise für ländliche Regionen»

Im Kanton Bern prangern die Hebammen die jüngsten Abbauten in der Geburtshilfe an. Sie fordern von der Regierung fünf Schritte.

image

16 Spitäler erhalten Leistungsauftrag für gynäkologische Tumoren

Mit der Vergabe von 25 Leistungsaufträgen an 16 Spitäler konkretisiert das HSM die nationale Planung hochspezialisierter Medizin im Bereich der gynäkologischen Onkologie.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.