Muss die Swica OP-Kosten im Ausland übernehmen?

Versorgungslücken rechtfertigen es, vom Territorialitätsprinzip abzuweichen. Im Fall einer Auslandsbehandlung lehnte die Swica die Kostenübernahme aber ab. Zu Recht?

, 20. Mai 2019 um 11:13
image
  • versicherer
  • spital
Eine Frau mit Jahrgang 1988 entschied sich zu einer Geschlechtsumwandlung. Für die Kosten der Hyster- und Adnexektomie sowie einer beidseitigen Mastektomie kam die Swica Krankenversicherung auf. Die Kostenübernahme für die OP für die Phalloplastik (Penisaufbau) lehnte der Versicherer aber ab.
Der Grund: Diese OP wurde nicht in der Schweiz, sondern in Deutschland durchgeführt. Für diesen Eingriff in einer spezialisierten Klinik entschied sich die Frau, weil es in der Schweiz zu wenig Fälle gab: Zwischen 2009 und 2016 wurden durchschnittlich 5,5 solche Operationen pro Jahr durchgeführt, etwa am USB oder am CHUV.

Geht nicht um die gesamtschweizerische Planung

Im zum inzwischen Rechtsstreit geführten Fall hält das Bundesgericht den erwähnten Durchschnittswert für «äusserst tief». Anderseits gelte in der Schweiz das Territorialitätsprinzip. Ausnahmen seien nur mit grosser Zurückhaltung zuzulassen, so die Bundesrichter. «Wird die Schwelle für die Kostenübernahme einer Auslandsbehandlung zu tief angesetzt, nimmt die Abwanderung von Patienten ins Ausland zu.»
Das Gericht hält aber auch gleichzeitig fest: «Im vorliegenden Zusammenhang geht es weder um die gesamtschweizerische Planung noch um die (weitere) Konzentration der Phalloplastik» auf einzelne Spitäler oder ein einzelnes Zentrum. Und weiter: Solange es für diesen Leistungsbereich an evidenzbasierten Studien mangle, verbiete es sich jedenfalls, eine abstrakt festgelegte Mindestfallzahl zum Massstab zu nehmen. 

Richter kritisieren Bundesamt für Gesundheit

Das Bundesgericht heisst die Beschwerde von Swica teilweise gut, kommt aber zu keinem abschliessenden Entscheid. Kurz: Die oberste Instanz hebt alle vorherigen Urteile auf und weist den Fall zurück an den Krankenversicherer. Die vorliegenden Akten lassen laut den Richtern keine abschliessende Beurteilung zu.
Swica soll die bisher unterbliebenen Abklärungen nachholen, sich beim neuen Entscheid an den hierzulande erzielten Operationsresultaten orientieren – und allenfalls auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) einbeziehen. Die Richter kritisieren: «Es ist denn auch unverständlich, dass sich das Bundesamt im vorliegenden Verfahren mit keinem Wort vernehmen liess.»
9C_264/2018, Urteil vom 8. Mai 2019. 
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Kantonsspital kauft Aktien einer Digital-Plattform

Was Medinside vor einer Woche angekündet hat, ist nun geschehen: Das erste öffentliche Spital steigt bei «Compassana» ein.

image

Der Fehltritt einer KPT-Firma: Vermittler hinterging Neukunden

Die neue Vermittlungsfirma der KPT-Krankenkasse nutzte unlautere Methoden, um neue Versicherte zu gewinnen.

image

So will das Kantonsspital Graubünden Gewaltopfern helfen

Das Kantonsspital Graubünden in Chur betreibt neu die Sprechstunde «Forensic Nursing». Das Angebot ist das erste dieser Art in der Deutschschweiz.

image

Kantonsspital Winterthur lässt Gender-Leitfaden nun doch fallen

Das Kantonsspital Winterthur zieht die gendergerechte Sprachempfehlung zurück. Der Druck ist wohl zu gross geworden.

image

Christian Britschgi wechselt als Chefarzt nach Winterthur

Christian Britschgi leitet künftig die medizinische Onkologie und Hämatologie im Kantonsspital Winterthur.

image

Zwei der grössten Psychiatrie-Kliniken wollen fusionieren

In Bern bahnt sich eine Elefantenhochzeit an: Die zwei eh schon grössten Kliniken wollen sich zu einer vereinigen.

Vom gleichen Autor

image

Berner Arzt hat Aufklärungspflicht doch nicht verletzt

Im Fall einer Nasen-OP mit Komplikationen verneint das Bundesgericht eine Pflichtverletzung eines Berner HNO-Arztes. Die Vorinstanzen haben noch anders entschieden.

image

Warum hunderte Pflegekräfte derzeit «Rücktrittsschreiben» verfassen

Eigentlich möchten viele Pflegefachpersonen ihrem Beruf gar nicht den Rücken kehren. Doch das System zwingt sie dazu, wie eine aktuelle Kampagne in den USA exemplarisch zeigt.

image

Ärzte erhalten von Ärzten eine Sonderbehandlung

Ärzte als Patienten kriegen bestimmte Privilegien, die andere Patienten oder Patientinnen nicht erhalten würden. Dies sagt die grosse Mehrheit der in einer Studie befragten Ärzte.