Millionäre aus der Grundversicherung? Der BAG-Chef doppelt nach

In der Schweiz sollen etwa 140 Ärzte mehr als eine Million Franken pro Jahr verdienen.

, 8. Februar 2018 um 09:42
image
  • tarmed
  • praxis
  • lohn
  • ärztelöhne
«Zwischen 80'000 und 90'000 Franken pro Monat, bezahlt durch die Prämien!»: Alain Berset äusserte sich letzte Woche sichtlich verärgert über den Tarmed-Widerstand der Ärzte – also monierte er ärztliche Spitzeneinkommen im Bereich über einer Million Franken. «Das ist inakzeptabel».
Und so streiten Politik und Ärzteschaft in der Romandie seither über die Honorierung der Mediziner (mehr). Das Gros der Ärzte fühlt sich in eine Ecke gestellt mit ganz wenigen Spezialisten, die hauptsächlich Privatpatienten betreuen. Und sie stellen klar, dass sich aus den Tarmed-Tarifen alleine bei weitem keine Million erzielen lässt.

Urologie, Gastroenterologie, Radiologie

Einen weiteren Höhepunkt erlebte die Debatte gestern abend, als sich die TV-Sendung «Infrarouge» dem Thema widmete, also quasi die «Arena» der Westschweiz.
Zur Diskussion wurde auch BAG-Chef Pascal Strupler zugeschaltet. Bersets höchster Gesundheitsbeamter wandte sich sogleich gegen die Relativierungen der Ärzteschaft. «Es gibt etwa 140 Ärzte», so Strupler, «die auf Basis der Grundversicherung eine Million Franken verdienen». Konkret nannte der BAG-Chef die Felder der Urologie, der Gastroenterologie und der Radiologie.
image
Umsatz oder Lohn? Pascal Strupler, Philippe Eggimann
Philippe Eggimann, der Präsident der Waadtländischen Ärztegesellschaft, widersprach sogleich vehement: «Hören Sie auf, 140 Ärzte zu nehmen, bei denen man nicht weiss, ob Sie Umsatz oder Lohn meinen, um zu beweisen, dass die 40'000 Schweizer Ärzte Millionäre sind», rief der Intensivmediziner. Immer noch vermische Strupler Umsatz und Lohn.
Santésuisse-Direktorin Verena Nold legte in diesem Zusammenhang fast schon salomonische Zahlen vor: Ihr Verband habe die Umsätze pro Praxis berechnet – erzielt via Grundversicherung – und diese in Zusammenhang gesetzt zu den Ärzten pro Praxis. Tatsächlich gebe es viele Praxen, die pro Mediziner 1,5 bis 1,7 Millionen Franken erreichen.

Minus 50 Prozent, minus 55 Prozent

Wobei einzukalkulieren ist, dass das Einkommen des Arztes höchstens die Hälfte des Umsatzes ausmacht; der Genfer Chirurg Jean-Marc Heinicke erwähnte sogar, dass es in seinem sogar weniger sind und 55 Prozent abgezogen müssen. Die hohen Grundkosten sind mit eine Erklärung dafür, dass die sich die Ärzteschaft im Stadtkanton teilweise im «Bummelstreik» gegen den neuen Tarmed befindet und gewisse Eingriffe vorübergehend verweigert.
Ganz harte Zahlen fehlen letztlich weiterhin; BAG-Direktor Pascal Strupler kündigte hierzu neue Informationen für kommendes Frühjahr an. Die letzten FMH-Zahlen aus dem Jahr 2009 wiesen schweizweit knapp 100 Ärzte aus, die mehr als eine Million verdienten; das Medianeinkommen der Praxisärzte erreichte damals 190'500 Franken.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Es braucht mehr Ärzte, die vom Land kommen

Wie bringt man mehr Hausärzte in ländliche Regionen? Ganz einfach: Indem man Menschen zu Ärzten macht, die in einem Dorf aufgewachsen sind. Oder Menschen, die dort ein Praktikum absolvierten.

image

Lohnerhöhungen? Die Luft ist dünn im Gesundheitswesen

Die Gehälter in der Branche dürften in den nächsten Monaten stagnieren – und sich damit unterduchschnittlich entwickeln. Dies besagt die neue Lohnerhebung der ETH.

image

Die Leute glauben Dr. Google. Aber Dr. KI trauen Sie nicht über den Weg.

Greifen Ärzte auf Künstliche Intelligenz zurück, so stösst dies bei den Patienten auf Widerstand.

image

Ärztemangel: Praxisgruppe Südland gibt auf

Ob auf dem Land, ob in der Grossstadt: Das Beispiel zeigt, wie sehr die Personalnot den Hausarzt-Praxen die Luft nimmt.

image
Gastbeitrag von Sarah Wyss

Ein Urteil, das uns alle teuer zu stehen kommt

Das Bundesgerichts-Urteil zur Sonder-Entschädigung für Notfall-Praxen ist weder im Sinne der Kosteneffizienz noch der Versorgungssicherheit: Eine Einschätzung von Nationalrätin Sarah Wyss.

image

Ein Schuss ins Knie – oder endlich Fairplay?

Die einen befürchten eine Schwächung der Hausarzt-Medizin und vollere Notfallstationen, die anderen sehen einen Sieg für die Prämienzahler: Reaktionen aufs Bundesgerichts-Urteil zur Zusatz-Honorierung in Permanencen.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.