«Chili hilft beim Abnehmen». «Neues Mittel gegen Krebs». «Hoffnung für Querschnittgelähmte!»: Mediziner wie Laien kennen diesen Dauerregen von Gesundheits-News in Presse, Radio, Fernsehen und Internet.
Und viele ahnen, dass hier viel Falsches den Informationsfluss runterzieht.
Wieviel, dies zeigt jetzt die wohl bislang grösste Stichproben-Erhebung im deutschen Sprachraum. Ein Team der Donau-Universität Krems untersuchte 990 Medien-Beiträge, die zu gesundheitlichen Fragestellungen in Österreich publiziert wurden; dabei wurde über insgesamt 219 verschiedene Themen berichtet.
Das Ergebnis lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Die übertreiben alle gewaltig.
Oder in Zahlen:
- Nur knapp 11 Prozent der Berichte waren präzise.
- Fast ein Drittel (29,7 Prozent) waren leicht übertrieben.
- Und ziemlich genau sechzig Prozent gaben die Evidenz zu medizinischen Fragestellungen stark verzerrt wider – sie berichteten also klar über- oder untertrieben über die Wirksamkeit von Behandlungen beziehungsweise über die Aussagekraft einer Studie.
Boulevardmedien informierten verzerrter als Qualitätsmedien, so eine Erkenntnis. Erstaunlicher an der an sich wenig überraschenden Erkenntnis ist allerdings ein Detail: Der Unterschied erklärte sich lediglich aus der Auswahl der berichteten Themen. Die Berichterstattung zu denselben Themen unterschied sich indessen zwischen Boulevard- und Qualitätsmedien nicht signifikant.
Warnung vor Diät-Durchbrüchen
Denn das Ausmass von Übertreibung und Unpräzision hängt sehr stark vom Thema ab, um das geht.
Einige Beispiele:
- An meisten verdreht wurde bei Artikeln über Gewichtssenkung und Kosmetik. Hier sichtete das Team um Bernd Kerschner 97,6 Prozent «stark verzerrte Artikel» (also fast hundert Prozent…). Und kein einziger Beitrag war vollauf präzise.
- Ebenfalls zum Ungefähren neigt die Presse bei Themen der Psychologie und Psychotherapie, ferner bei Berichten über Nahrungsergänzungs-Mittel und die Wirkung von OTC-Medikamenten.
- Halbwegs genau war noch die Berichterstattung über rezeptpflichtige Medikamente.
Gerade der Unterschied zwischen zulassungspflichtigen und nicht-zulassungspflichtigen Mitteln lässt vermuten, dass kommerzielle Beeinflussungs-Interessen eine starke Rolle spielen. Die PR-Bearbeitung im letzteren Bereich ist besonders gross – mit den erwähnten Folgen der Übertreibungen.
«Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die meisten Medien PR-Meldungen von kommerziellen Anbietern weitgehend ungeprüft übernehmen»,
sagt denn auch Bernd Kerschner.
- Bernd Kerschner, Jörg Wipplinger, Irma Klerings, Gerald Gartlehner: «Wie evidenzbasiert berichten Print- und Online-Medien in Österreich? Eine quantitative Analyse», in: «Zeitschrift für Evidenz, Fortschritt und Qualität im Gesundheitswesen», 10. Juni 2015.