Lob der Telemedizin – aus ungewohnter Perspektive

Mit neuen technologischen Angeboten lässt sich auch sonst sparen – bei der Zeit, bei der Mobilität, bei den Fahrkosten. Wie sehr? Dazu gibt es jetzt Zahlen.

, 30. März 2017 um 05:51
image
  • telemedizin
  • praxis
Wir haben hier ja kürzlich Zweifel an der Effizienz der Telemedizin gestreut: Laut einer US-Gross-Studie dienten bei 300'000 erfassten Patienten nur rund 12 Prozent der Telemedizin-Konsultationen dazu, den Besuch in der Praxis oder der Notfallstation zu ersetzen. In 88 Prozent der Fälle hatte man es aber mit einer zusätzlichen Nutzung zu tun.
Nach Einführung von Videokonsultationen kam es also zu einem Mengenwachstum.
Wie die Forscher der Rand Corporation in jener Erhebung weiter hochrechneten, gaben die erfassten Personen durchschnittlich 45 Dollar mehr pro Jahr aus für die ärztliche Behandlung von Atemwegserkrankungen.

Unterschätzte Vorteile

Jetzt können wir aber wieder etwas entgegenhalten: Laut neuen Daten gibt es bei der Telemedizin auch bislang wohl unterschätzte Vorteile. Konkret fragten Wissenschaftler der University of California Davis danach, ob die Patienten durch ein Video-Konsultations-Angebot Zeit und Fahrkosten sparen – und wie sehr.


Es geht also um durchaus greifbare Vorteile, die in der gesundheitspolitischen Debatte nie auftauchen. Das Team unter dem Pädiater James P. Marcin studierte die Patientenakten von 19'200 Menschen, welche die Telemedizin-Angebote der Universitätsklinik von Davis genutzt hatten. Gemessen wurden Kontakte mit dem Hausarzt – aber vor allem auch Konsultationen, die beim Allgemeinpraktiker stattfanden, zu denen aber dann ein Spezialist zugeschaltet wurde.
Wieviele Besuche konnten vermieden werden? Und wie lang wäre dann die Fahrzeit gewesen?
Die Berechnungen ergaben, dass die besagten 19'200 Personen im Beobachtungszeitraum von 1996 bis 2013 rund 9 Jahre an Fahrzeit eingespart hatten. Etwa 8 Millionen Kilometer waren weniger gefahren worden. Und daraus errechneten sich Kosteneinsparungen von rund 3 Millionen Franken.

155 Franken pro Kopf

Tönt beeindruckend? Nun ja. Rechnet man das auf die einzelnen Menschen herunter, so sparte eine erfasste Durchschnittsperson vier Stunden Fahrzeit, 33 Kilometer und 155 Franken Fahrkosten. Und das im Zeitraum von beinahe 20 Jahren.
Kommt natürlich hinzu, dass man das auf Schweizer Verhältnisse umrechnen müsste. Hier sind die Fahrkosten eher höher. Auf der anderen Seite sind die Distanzen kleiner respektive ist die Versorgung dichter.
Zusammengefasst besagt die Studie wohl einfach: Telemedizin ist ein Angebot, dass manchmal wirklich praktischer ist.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Tardoc: Dem Ziel «ein gutes Stück näher»

Dass der Bundesrat bei den ambulanten Tarifen aufs Tempo drückt, findet breite Zustimmung in der Branche.

image

Der Tardoc soll 2026 in Kraft sein

Zugleich genehmigte der Bundesrat die Einführung der ambulanten Pauschalen – im Grundsatz.

image

Taxpunkte: Teil-Einigung in der Ostschweiz

Die Ärztegesellschaften und die HSK beschliessen 3 Rappen höheren Taxpunktwert.

image
Kommentar von Anne-Geneviève Bütikofer und Verena Nold

Ja zum neuen Arzttarif – aber nur mit ambulanten Pauschalen

Ein neues ambulantes Tarifsystem muss Pauschalen mit dem Einzelleistungstarif Tardoc kombinieren. Nur so lässt sich die Effizienz im Gesundheitswesen steigern.

image

Was kostet der Leistungsausbau? Keine Ahnung

Was sind die finanziellen Folgen des Leistungsausbaus in der Grundversicherung? Der Bundesrat will das nicht wissen.

image

Gerhard Pfister will es wissen: Arbeiten Ärzte 24 Stunden pro Tag?

In seinem Einsatz für die «Kostenbremse» nimmt sich der Mitte-Präsident die Minutage vor. Zumindest rhetorisch.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.