Patientenrechnung darf auch Millionen betragen

Bei der Übernahme der Behandlungskosten gibt es bei der obligatorischen Krankenversicherung keine absolute Obergrenze. Dies bekommt jetzt der Versicherer Sympany zu spüren.

, 23. April 2019 um 11:12
image
  • spital
  • versicherer
Sind die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit erfüllt, gilt die Leistungspflicht der obligatorischen Krankenversicherung unbeschränkt. Zu diesem Entscheid kommt das Bundesgericht und weist eine Beschwerde der Krankenkasse Vivao Sympany ab. Dies teilt das Gericht in Lausanne am Dienstag mit. 
Nach diesem Urteil muss der Versicherer nun die Kosten einer Spitalbehandlung von über 1 Million Franken übernehmen. Der Gesamtbetrag der Behandlungskosten im namentlich nicht genannten Basler Spital belief sich auf rund 2,4 Millionen Franken. Die Krankenkasse wollte aber nur 300'000 Franken übernehmen. Mit der Begründung, mehr sei anhand der Qaly-Methode (siehe unten) nicht geschuldet.

Keine pauschale Beanstandung möglich

Für die sozialrechtliche Abteilung mit Bundesrichterin Brigitte Pfiffner als Präsidentin ist aber klar: Es bestehe keine absolute Obergrenze für die von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu tragenden Kosten einer Spitalbehandlung. Und auch die Qaly-Methode spiele hier keine massgebliche Rolle.
Die Wirtschaftlichkeit einer Behandlung könne zudem nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass der nach einer Vielzahl von medizinischen Vorkehren aufgelaufene Gesamtbetrag pauschal beanstandet werde.

Über 420 Tage im Spital

Der 71-jährige Patient erlitt nach einer Knieoperation einen Herzinfarkt, ein Nierenversagen und anschliessend zahlreiche weitere, teilweise lebensbedrohliche Komplikationen. Der Mann blieb über 420 Tag in Spitalbehandlung, einen grossen Teil davon auf der Intensivstation.
  •  Urteil vom 1. April 2019 (9C_744/2018)

Die Qaly-Methode

Ein qualitätskorrigiertes Lebensjahr (quality-adjusted life year oder Qaly) ist eine Kennzahl für die Bewertung eines Lebensjahres in Relation zur Gesundheit. Ein Qaly von 1 bedeutet ein Jahr in voller Gesundheit, während ein Qaly von 0 einem Versterben entspricht. Qaly ist damit ein Nutzwert für ein Leben(-sjahr). Das Konzept ähnelt der Kosten-Nutzen-Analyse und ist die meistgenutzte Kennzahl in der gesundheitsökonomischen Evaluation.
Der Versicherer Vivao Sympany berechnete anhand dieser Methode die Obergrenze der finanzielle Mittel wie folgt: Im konkreten Fall sei beim damals 71 Jahre alten Betroffenen von einer restlichen Lebenserwartung von 14,8 Jahren auszugehen gewesen und einer Lebensqualität von 0.2. Dies entsprechend dem Umstand, dass er in allen Verrichtungen des Lebens massiv beeinträchtigt gewesen sei. Die Multiplikation dieser Faktoren ergebe einen Qaly-Wert von 2,96, der mit 100'000 Franken zu multiplizieren sei. Auf diese Weise resultiere der von ihr anerkannte Betrag von 296'000 Franken.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Kantonsspital kauft Aktien einer Digital-Plattform

Was Medinside vor einer Woche angekündet hat, ist nun geschehen: Das erste öffentliche Spital steigt bei «Compassana» ein.

image

Der Fehltritt einer KPT-Firma: Vermittler hinterging Neukunden

Die neue Vermittlungsfirma der KPT-Krankenkasse nutzte unlautere Methoden, um neue Versicherte zu gewinnen.

image

So will das Kantonsspital Graubünden Gewaltopfern helfen

Das Kantonsspital Graubünden in Chur betreibt neu die Sprechstunde «Forensic Nursing». Das Angebot ist das erste dieser Art in der Deutschschweiz.

image

Kantonsspital Winterthur lässt Gender-Leitfaden nun doch fallen

Das Kantonsspital Winterthur zieht die gendergerechte Sprachempfehlung zurück. Der Druck ist wohl zu gross geworden.

image

Christian Britschgi wechselt als Chefarzt nach Winterthur

Christian Britschgi leitet künftig die medizinische Onkologie und Hämatologie im Kantonsspital Winterthur.

image

Zwei der grössten Psychiatrie-Kliniken wollen fusionieren

In Bern bahnt sich eine Elefantenhochzeit an: Die zwei eh schon grössten Kliniken wollen sich zu einer vereinigen.

Vom gleichen Autor

image

Berner Arzt hat Aufklärungspflicht doch nicht verletzt

Im Fall einer Nasen-OP mit Komplikationen verneint das Bundesgericht eine Pflichtverletzung eines Berner HNO-Arztes. Die Vorinstanzen haben noch anders entschieden.

image

Warum hunderte Pflegekräfte derzeit «Rücktrittsschreiben» verfassen

Eigentlich möchten viele Pflegefachpersonen ihrem Beruf gar nicht den Rücken kehren. Doch das System zwingt sie dazu, wie eine aktuelle Kampagne in den USA exemplarisch zeigt.

image

Ärzte erhalten von Ärzten eine Sonderbehandlung

Ärzte als Patienten kriegen bestimmte Privilegien, die andere Patienten oder Patientinnen nicht erhalten würden. Dies sagt die grosse Mehrheit der in einer Studie befragten Ärzte.