Wohin gehen junge Kinderärzte? Wohin wollen sie? Diese Frage wurde nun Nachwuchs-Pädiatern in Bern gestellt. In den letzten zehn Jahren durchliefen an der Universitätsklinik für Kinderheilkunde am Inselspital 109 Mediziner ihre Ausbildung – und nach Abschluss befragte Sonja Lüer diese Kolleginnen und Kolleginnen zu ihren Arbeitsmodellen; nun hat die Oberärztin die Ergebnisse im Fachjournal «Advances in Medical Education and Practice» veröffentlicht.
Knapp die Hälfte der an der «Insel» weitergebildeten Kinder- und Jungmediziner entschied sich danach für die Tätigkeit in einer Praxis (42 Prozent).
Davon wiederum arbeitete die überwiegende Mehrheit in Gruppenpraxen (90 Prozent) und in Teilzeit-Modellen (im Schnitt 60 Prozent), wobei auch Männer zunehmend diese Variante wählten. Anders gesagt: Nur 10 Prozent waren in einer Einzelpraxis tätig.
Treue zum Kanton Bern
40 Praxispädiaterinnen und -pädiater füllten in der Studie nur 23,9 Vollzeitstellen, rechnet Autorin Sonja Lüders vor: «Diesem Trend zur Teilzeitarbeit muss nicht nur durch angepasste Stellenetats, sondern auch in der Weiterbildung der Lehrspitäler Rechnung getragen werden.»
Weiter zeigte sich, dass fast zwei Drittel der erfassten Abgänger des Inselspitals im Kanton Bern tätig blieben (60 Prozent).
Davon arbeiteten 14 Prozent auch nach dem FMH-Facharzt-Abschluss weiter an der Universitätsklinik für Kinderheilkunde. Dabei muss erwähnt werden, dass die Studie eine recht grosse Zeitspanne erfasste: Das Kriterium war lediglich, dass die Befragten ihre Weiterbildung am Inselspital abgeschlossen hatten – ob erst kürzlich oder zehn Jahren, war kein einschränkender Aspekt.
Lehrreiche Notfall-Abteilung
Tendenziell neigten die Frauen eher zu Privatpraxen: Insgesamt waren zwei Drittel der befragten Weitergebildeten weiblich – in Privatpraxen lag der Frauenanteil dann bei 76 Prozent.
Notfall sehr lehrreich, Intensivmedizin durchschnittlich: Einschätzung der Effizienz der Ausbildung in verschiedenen Abteilungen | Quelle/Grafik: Lüer/Aebi, «Assessment»
Die Arbeit von Sonja Lüers sollte aber auch Hinweise geben über die Ansprüche und Wünsche der Jungmediziner an die pädiatrische Facharztausbildung. Und so wurde etwa auch danach gefragt, als wie lehrreich die einzelnen Rotationen empfunden wurden. Hohe Werte erzielte dabei insbesondere die Notfallabteilung.
Auf die Frage, wo sich am besten welche Kompetenzen gewinnen liessen, vertraute man bei der Wundbehandlung, bei der Arbeit mit dem Ultraschall sowie auch für gesetztliche Fragen am ehesten aufs Spital. Der Umgang mit Eltern, das Rechnungswesen und das Praxis-Management – so die Einschätzung auf der anderen Seite – liesse sich eher in der Privatpraxis lernen.
Wo sollen welche Kompetenzen am besten gelernt werden? Durchschnittliche Einschätzungen der in Bern befragten Jung-Pädiater | Quelle/Grafik: Lüer/Aebi, «Assessment»
Schliesslich wollten die Forscher auch wissen, welche Fähigkeiten sie bei künftigen Kollegen in der Kinderarzt-Praxis als besonders wichtig einschätzen würden. In der offenen Befragung erschienen drei Aspekte als besonders bedeutsam und als gleichmässig wichtig:
- Teamwork, Fähigkeiten zur Zusammenarbeit;
- professionelles Know-how, pädiatrische Kompetenzen;
- sowie wirtschaftliche und betriebliche Effizienz.
Weniger häufig genannt wurden Kommunikations- und soziale Fähigkeiten. Und an dritter Stelle nannten die Befragten schliesslich Empathie, Flexibilität und Autonomie.