EPD: So könnte das neue digitale Impfbüchlein aussehen

Nach dem Desaster von Meineimpfungen wird ein neuer Anlauf für ein E-Impfbüchlein genommen. eHealth Suisse hat nun ein Konzept vorgelegt, entscheiden wird die Politik.

, 22. Februar 2022 um 08:51
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Der Bundesrat hatte im letzten November die Impfdokumentation im Eidgenössischen Patientendossier (EPD) befürwortet, nachdem eine fraktionsübergreifende Koalition um FDP-Nationalrat Marcel Dobler eine entsprechende Motion eingereicht hatte. In dieser hatte die Gruppe eine Ersatzlösung für die Onlineplattform Meineimpfungen im EPD gefordert.
eHealth Suisse, die Koordinationsstelle für das EPD, hat nun ein Konzept vorgelegt. Dank der strukturierten Integration der Impfdokumentation sollen auch verifizierbare Zertifikate direkt aus dem EPD-System generiert werden können. Diese werden etwa im internationalen Reiseverkehr benötigt.
Laut Grobkonzept sollen alle Kern-Funktionalitäten von Meineimpfungen zur Verfügung stehen. Das elektronische Impfbüchlein war im letzten Jahr mit wehenden Fahnen untergegangen, nachdem grobe Datenschutz-Verletzungen bekannt geworden waren. Damals war unter anderem die Rolle des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) Gegenstand der Debatte. Das Amt hatte eine Stiftung gegründet, mit der es sich nun um die Verantwortung für das Desaster balgt.
Das Ende von Meineimpfungen und die Bedeutung der Impfdokumentation in der Pandemie hätten zu raschem Handeln veranlasst, sagt Adrian Schmid, Leiter von eHealth Suisse auf Anfrage. Das Konzept habe aber mit Meineimpfungen nichts zu tun und es sei auch erstmal lediglich ein Vorschlag, ergänzt er. Letztlich müsse politisch entschieden werden, wie das elektronische Impfbüchlein realisiert werde.

Die Vor- und Nachteile der Architektur

Das EPD wird arbeitsteilig umgesetzt: Das BAG bildet zusammen mit der Schweizerischen Gesundheitsdirektoren-Konferenz (GDK) der Kantone den Steuerungsausschuss von eHealth Suisse. Letztere koordiniert die Massnahmen rund um das Dossier. Für die konkrete Umsetzung zeichnen dann die Stammgemeinschaften verantwortlich, die die Plattformen betreiben.
Angesprochen auf das Desaster von Meineimpfungen sagt Schmid von eHealth Suisse, im EPD seien die Grundvoraussetzungen bereits festgelegt: Wo werden die Daten gespeichert? Wer hat Zugang zu welchen Datensätzen? Man habe nun ein Konzept für die Integration der Impfdokumentation im EPD erstellt, Details müssten bei der Umsetzung aber noch geklärt werden.
Ein Unterschied zur zentralen Plattform Meineimpfungen ist die verteilte Architektur des EPD. Dies ist aus Sicht der Datensicherheit vorteilhaft, aber es bringt auch Hürden mit sich: Im verteilten System kann keine Verfügbarkeit aller Daten garantiert werden, wenn diese jeweils abgefragt werden. Dies erzeugt hohe Anforderungen an die Clients, damit die Konsistenz der Daten gewährleistet ist. Das System müsse entsprechend die Fehlerbehandlung bei unvollständigen Basisdaten «berücksichtigen», heisst es im groben Konzept noch unbestimmt. Falls es in den dezentralen Datenbanken zu widersprüchlichen Einträgen kommt – Patient A ist in Datenbank 1 geimpft, in Datenbank 2 nicht – soll das System Optionen zur Wiederherstellung der Konsistenz aufzeigen.
Im EPD steuert der User die Zugriffsrechte und behält damit die Kontrolle über seine Daten. Auch diese Befugnisse der Patienten bringt Vorteile aber zugleich Herausforderungen: Denn die User müssten dafür Sorge tragen, dass die zuständigen Gesundheits-Fachpersonen die vollständigen Impfdaten angezeigt kriegten, heisst es im Konzept.
Dort ist auch vorgesehen, dass Patienten in der Benutzeroberfläche selbst Impfungen eintragen können. Diese können anschliessend von den Fachpersonen geprüft und validiert werden. Der Vorschlag gehe auf praktische Erfahrungen zurück, sagt Schmid, schliesslich könnten längst nicht alle Fachleute Daten einspeisen. Wie aber die Prüfung konkret erfolge, sei vor allem eine organisatorische Frage, die im Detail noch zu klären sei. Klar sei indes, dass noch nicht validierte Einträge kenntlich sein müssten.

Noch gibt es keine Roadmap

Im Konzept heisst es: «Eine kurz- oder mittelfristige und flächendeckende Einführung des vollständigen Impfdossiers mit allen Informationen mit Bezug zum Immunitätsstatus (Vorerkrankungen, Allergien und Unverträglichkeiten) und der Abfrage von Impfempfehlungen im EPD ist ambitioniert.» Deshalb ist je nach Aufwand eine mehrstufige Einführung vorgesehen. Wann diese startet, ist noch nicht festgelegt.
Bereits heute können EPD-User ein Foto ihres Impfausweises ablegen, ohne dass dieser aber zwingend maschinenlesbar ist. In einigen Plattformen des dezentralen Systems sollen die Daten aber bereits strukturiert hinterlegt werden können. Um dem «PDF-Friedhof» – wie das EPD nach beschwerlicher Einführung von Kritikern bereits genannt wurde – entgegenzuwirken, soll in einem ersten Schritt die Impfdokumentation generell in ein maschinenlesbares Format (FHIR) gebracht werden. Dazu zählen Angaben zu Patienten und Gesundheits-Fachpersonen, verabreichte Impfungen, nicht erwünschte Impfungen, Laborwerte sowie relevante Allergien und Vorerkrankungen. In weiteren Schritten soll das Dokument auch automatisiert Impfempfehlungen erzeugen können.
Im letzten Schritt sollen dann verifizierbare Zertifikate direkt aus dem Tool ausgegeben werden können. Dazu will eHealth Suisse das Austauschformat auf die WHO-Standards erweitern. Dadurch könnten Gesundheitspersonen auf Wunsch digital signierte Bescheinigungen ausstellen, die international gültig sind.

  • Dieser Beitrag ist zuerst auf dem Nachrichtenportal «Inside IT» erschienen.

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