Krankenkasse: Der reale Alltag eines Chefapothekers

Der Chefapotheker der Spitäler fmi schildert ein Beispiel aus der Praxis: Ein Fall, der Zweifel sät, ob die Krankenversicherer immer ein Interesse haben, günstigere Lösungen zu fördern.

, 23. April 2018 um 08:48
image
  • spitäler fmi
  • medikamente
  • versicherer
  • gesundheitskosten
Enea Martinelli, seines Zeichens Chefapotheker der Spitäler fmi, schildert auf der Netzwerk-Plattform LinkedIn einen kuriosen Fall aus seinem Alltag als Apotheker. Der Fall sorgt vor dem Hintergrund der stets steigenden Gesundheitskosten für Verwunderung und Kopfschütteln. 
Sein Spital habe für einen Patienten den Antrag für eine Behandlung mit dem Medikament Infliximab gestellt. Martinelli erklärt weiter, dass es eine Behandlung mit dem Original (Remicade) gebe oder aber mit dem Biosimilar (Inflectra). 
Beide ständen auf der sogenannten Spezialitätenliste (SL). Der Unterschied zwischen dem Original und dem Nachahmerprodukt seien die Kosten: Bei Remicade (MSD) betragen diese pro Jahr 41'000 Franken, bei Inflectra (Pfizer) hingegen nur 29'000 Franken. 

Von Pontius zu Pilatus

Die Kostengutsprache vom Schweizerischen Verband für Gemeinschaftsaufgaben der Krankenversicherer (SVK) erfolgte schliesslich für das Original. Martinelli griff zum Telefon und rief beim SVK an. Sein Vorschlag: Inflectra statt das 12'000 Franken teurere Remicade zu nehmen.  
Was danach folgte, erinnert an eine Art Spiessrutenlauf: Sie hätten das nicht im Vertrag, er solle die Krankenkasse fragen, sagte der SVK. Martinelli rief den Krankenversicherer an. Dort hiess es, er solle den vertrauensärztlichen Dienst anrufen. Und dieser meinte schliesslich, der Chefapotheker solle doch einen neuen Antrag machen.

«Am Schluss die Deppen...»

Zu Recht fasst Enea Martinelli zusammen: «He gopf nochmal!!!! Es geht um 12‘000.- pro Jahr für einen einzigen Patienten. Wir verdienen zudem daran weniger als mit dem Original. Warum sollten wir in Zukunft noch irgend einen Finger krumm machen, wenn wir am Schluss selbst die Deppen sind»?
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image
Gastbeitrag von Bettina Balmer, Fabian Kraxner und Belinda Nazan Walpoth

Und jetzt: Digitalisierung, Ambulantisierung, weniger Bürokratie

Die Kostenbremse-Initiative ist zurecht gescheitert. Sie bot kein konkretes Rezept, um die Gesundheitsausgaben zu bremsen.

image
Gastbeitrag von Claus Hysek

Wie man für 15 Rappen pro Monat den Apotheken-Markt zerstört

Santésuisse hat vorgerechnet, wo man bei Medikamenten sparen kann. Wir haben nachgerechnet.

image

Gesucht: Ideen, damit weniger Pillen im Müll landen

Der Nationalrat setzt ein weiteres Zeichen, dass er die Medikamentenverschwendung bekämpfen will. Es ist nicht das erste.

image

Medikamente: Der Graben wird nicht kleiner

Im Schnitt kosten die Arzneimittel in der Schweiz ein Zehntel mehr als in anderen europäischen Ländern

image

Krankenkassen bleiben nicht auf «rekordhohen Schulden» sitzen

Trotz Schlagzeilen über hohe Schulden bei den Krankenkassen: Die Versicherer merken wenig oder gar nichts.

image

Nestlé entwickelt Pizzen und Bowls für Semaglutid-Patienten

Eine eigene Marke soll den Nutzern von «Abnehmspritzen» wie Ozempic und Wegovy die entscheidenden Nährstoffe bieten.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.