Die Pharma-Werbung als Warnsignal

Was ist speziell an Arzneimitteln, die intensiv beworben werden? Offenbar fehlt es hier speziell häufig an Qualität.

, 4. Mai 2017 um 06:03
image
  • medikamente
  • pharma
  • praxis
Es ist ja bekannt, dass intensiv beworbene Medikamente von den Ärzten tatsächlich auch eher verschrieben werden. Und es gibt allerlei Hinweise, wonach ein enger Kontakt zu Pharmavertretern die Mediziner dazu verleitet, lieber Markenarzneien denn Generika zu verschreiben.
Zwei Forscher der Yale University gingen nun einem Aspekt nach, der dabei medizinisch entscheidend wird: Wie verhält sich die Pharmawerbung zur Qualität der Arzneien? Oder anders: Wie gut sind denn die intensiv beworbenen Medikamente? Wie steht es um ihre Effizienz, ihre Sicherheit, ihre Neuartigkeit? Bieten sie echten Fortschritt?
Die Antwort: Nein. Tyler Greenway und Joseph S. Ross machten 25 Medikamente fest, für welche die Hersteller in den Jahren 2013 und 2014 besonders hohe Summen ausgaben, um sie Ärzten und Spitälern ans Herz zu legen. Aufgrund der in Amerika obligatorischen Offenlegungen konnten die Yale-Mediziner recht präzise eruieren, welche direkten und indirekten Zahlungen zu einem bestimmten Produkt an Fachleute und Institutionen geflossen waren.


Dann massen sie die Qualität jedes dieser 25 Mittel anhand von fünf Kategorien: Innovation; Effektivität und Sicherheit; Erhältlichkeit; klinischer Wert (gemessen an der WHO-Liste der essenziellen Arzneimittel); sowie Status als Primärtherapie.
Diese Einstufungen wurden an anderen Medikamenten gespiegelt – erstens an den 25 meistverkauften Mitteln im gleichen Jahr, zweitens den am häufigsten verschriebenen Produkten.

Qualitätsmerkmal «oft verschrieben»

Heraus kam, dass sowohl die meistverkauften Medikamente als auch die am häufigsten verschriebenen Arzneien in den erfassten Qualitätskategorien besser abschnitten.
«Auch wenn nicht alle Unterschiede signifikant waren», so die Autoren in einer Mitteilung, «so zeigen die Resultate doch, dass die meistverkauften und meistverschriebenen Medikamente am ehesten das ideale Medikament darstellen, welches effektiv, sicher, greifbar und neuartig ist sowie einen eigentlichen Fortschritt in der Behandlung einer Krankheit darstellen – und nicht die meistbeworbenen Produkte.»

Warnsignal Werbung?

In einer Zahl ausgedrückt: Von den 25 am meisten verkauften Arzneien des Jahres 2014 waren 9 auf der WHO Essential Medicines List; bei den am meisten verschriebenen Produkten waren es sogar 14. Aber nur eines der 25 am intensivsten promoted Arzneimittel schaffte es auf die Liste. Auch bei den Erstlinien-Medikamenten war der Anteil der Marketing-starken Produkte tiefer.
Damit liesse sich also der Spiess umdrehen: Wenn ein Medikament überdurchschnittlich intensiv beworben wird, so könnte dies ein Warnsignal sein. «Kliniker sollten den Wert von Arzneimitteln, die durch die Pharmahersteller am aufwändigsten vermarktet werden, in Frage stellen, bevor sie sie verschreiben», so ein Fazit der Studie. Und insgesamt deuteten die Ergebnisse an, «that pharmaceutical promotion should be met with healthy skepticism».
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

mRNA-Impfstoff gegen Krebs wird bald an Patienten getestet

Die klinischen Studien, die Biontech noch dieses Jahr starten will, werden in Grossbritannien durchgeführt. Auf den Markt kommen soll das Vakzin vor 2030.

image

Novartis hat einen Präsidenten für seine Generika-Tochter Sandoz bestimmt

Gilbert Ghostine wird künftiger Sandoz-Präsident. Die Generika-Tochter von Novartis soll noch 2023 vom Konzern abgespalten und separat an die Börse gebracht werden.

image

Medikamente: Eine Ausnahme alle drei Minuten

Wird ein Medikament ausserhalb des vorgesehenen Verwendungszwecks verschrieben oder steht sein Preis noch nicht fest, ist eine Einzelfallerstattung möglich. Diese Ausnahme darf jedoch nicht zur Regel werden.

image

So reagiert Deutschland auf Engpässe bei Medikamenten

Mehr Vorräte, weniger Rabatte und ein «Engpass-Honorar» für die Apotheken: So will Deutschland aus der Arzneimittel-Krise kommen.

image

Ein Medizin-Imperium aus dem Supermarkt: Kommt das gut?

Die Migros fügt unermüdlich weitere Bausteine zu ihrem Gesundheitsreich hinzu. Ist die Migros-Medizin ein gutes Rezept für die Schweiz?

image

Medikamente: «Wir betonen seit Jahren, dass die Situation immer schlechter wird»

«Problematisch» – so stuft der Bund die Arzneimittel-Engpässe ein. Nun soll eine Taskforce Massnahmen prüfen. Was sagt die Branche dazu? Wir haben nachgefragt.

Vom gleichen Autor

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.

image

Wer will bei den Helios-Kliniken einsteigen?

Der deutsche Healthcare-Konzern Fresenius sucht offenbar Interessenten für den Privatspital-Riesen Helios.

image

Deutschland: Investment-Firmen schlucken hunderte Arztpraxen

Medizin wird zur Spielwiese für internationale Fonds-Gesellschaften. Ärzte fürchten, dass sie zu Zulieferern degradiert werden.