Warum die personalisierte Medizin nicht vom Fleck kommt

Forscher und Mediziner müssen für die Weiterentwicklung der «personalisierten Medizin» Zugang zu den Gesundheitsdaten erhalten. Doch damit hapert es laut ETH-Forschenden noch. Warum und was wären die Lösungsansätze?

, 8. Mai 2018 um 09:27
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Personalisierte Medizin soll mit individuell zugeschnittenen Therapien zu besseren Heilungschancen verhelfen. Zum Beispiel durch eine (molekulare) Analyse bei Krebs. Doch so richtig sei die personalisierte Medizin noch nicht aus den Startlöchern gekommen, schreibt die ETH Zürich in einer Mitteilung.
Das Problem sei der noch nicht ausreichende Datenaustausch zwischen Spitälern und Forschungseinrichtungen. Einer der Gründe sind fehlende Richtlinien und Empfehlungen. Denn diese beziehen sich kaum aufeinander und sind wenig einheitlich, wie eine Studie von Forschenden um die ETH-Professorin Effy Vayena zeigt.
Nur drei Themen kommen in fast allen der über 200 untersuchten Dokumente vor:
  • Hoheit der Patienten über die Daten-Verwendung
  • Datensicherheit
  • Datenqualität

Diese Themen werden vernachlässigt

Diese Themen seien natürlich sehr wichtig, wird Bioethikerin Vayena im Beitrag zitiert. Allerdings gebe es weitere wichtige Aspekte. Zwei Fragen stehen ihr zufolge im Vordergrund: 
1. Wer wird zur Rechenschaft gezogen, wenn Patientendaten nicht korrekt verwendet werden, also zum Beispiel, wenn diese ohne Einverständnis für ein Forschungsprojekt genutzt wurden?
2. Wie werden Forschende gewürdigt beziehungsweise belohnt, die ihre selbst gewonnenen Forschungsdaten auch anderen Wissenschaftlern zur Verfügung stellen?«Nur wenn wir uns auch mit solchen Aspekten stärker befassen, können wir den Austausch von Daten verbessern», so Vayena, die auch Vorsitzende eines Beirats des «Swiss Personalized Health Network» (SPHN) ist.
Blasimme A, Fadda M, Schneider M, Vayena E: «Data Sharing For Precision Medicine: Policy Lessons And Future Directions», in: «Health Affairs», Mai 2018.

Daten nicht der Konkurrenz preisgeben

Zudem gibt es auch Hürden, wie aus den in der Zeitschrift «Health Affairs» veröffentlichten Ergebnisse hervorgeht. Und dazu gehöre nicht nur, dass der Datenaustausch zwischen den unterschiedlichen Systemen in den Spitälern nicht kompatibel sei. 
Oft mangele es auch an der Bereitschaft von Forschenden oder Firmen, ihre Daten mit anderen zu teilen. Sie wollen diese nicht der Konkurrenz preisgeben oder scheuen Mühe und Kosten, sie durch Einstellen in eine Datenbank zugänglich zu machen.
Und nicht zuletzt zögern Patienten oftmals, ihr Einverständnis zur Verwendung ihrer Daten zu geben, weil sie nicht genau wissen, was damit geschieht.

Blockchain, Anreizsystem und Datenverwendung

Künftige Richtlinien zum Datenaustausch sollten sich mit möglichst vielen der identifizierten Hürden befassen, sagt ETH-Forscherin Vayena weiter. Solche Überlegungen werden auch in die Richtlinien einfliessen, welche im Rahmen der SPHN-Initiative entwickelt werden. 
Weitere Lösungsvorschläge sind:
  • Innovative Lösungen: Bisherige Ansätze hätten nur unzureichend funktioniert. Beispielsweise könnten neue Technologien wie Blockchain genutzt werden, um Daten besser zu schützen.
  • Anreizsystem: Anreize für Forschende schaffen, die auf Gegenseitigkeit beruhen. Nur wer eigene Forschungsergebnisse in eine Datenbank einstellt, hat auch Zugriff auf die Daten anderer.
  • Patienten-Einverständnis: Patienten könnten die Möglichkeit erhalten, anstatt der Verwendung ihrer Daten pauschal zuzustimmen, mit digitalen Technologien das Einverständnis für einzelne Forschungsprojekte zu geben. Solche Technologien würden ausserdem einen gewissen Austausch zwischen Patienten und Forschenden ermöglichen.
Vayena ist überzeugt: «Wenn sich alle Beteiligten in der Schweiz gemeinsamen richtigen Standards verschreiben, wird das den Austausch von Daten und damit die personalisierte Medizin einen grossen Schritt vorwärts bringen.»
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