Corona-Krise: Erster Vorwurf an die Spitäler

Die Armeeangehörigen würden als billige Arbeitskräfte genutzt, um das angespannte Spitalbudget zu entlasten. Dies zumindest vermutet ein Soldat der Sanitätstruppen in einem Spital.

, 16. April 2020 um 09:08
image
  • spital
  • armee
  • coronavirus
Während die Corona-Pandemie langsam abflacht, nimmt jetzt die Manöverkritik an Fahrt auf. So haben sich mehrere Armeeangehörige unabhängig voneinander bei verschiedenen Medien gemeldet - und Kritik an der Umsetzung des Corona-Assistenzdienstes geübt (hierhier oder hier). Sie fragen sich: Wie ist es möglich, dass Spitäler aus Mangel an Arbeit qualifizierte Mitarbeitende nach Hause schicken, Kurzarbeit beantragen und gleichzeitig die Arbeit von Soldaten beanspruchen?
Offenbar wundern sich die Angestellten in den Spitälern selber über die Sanitäts- und Spitalsoldaten als Helfer, wie die «Wochenzeitung» WOZ berichtet. Zu tun gebe es für sie kaum etwas. Vitalzeichen wie Körpertemperatur, Puls oder Blutdruck dürfen die Soldaten der eingerückten Verbände nicht messen, das meiste nur in Anwesenheit einer Pflegeperson erledigen. Die Angehörigen der Sanitätstruppen kommen sich so «nutzlos» vor.

Nur, um Überstunden und Ferien abzubauen?

«Wir erledigen wegen fehlender Ausbildung nur kleinste Hilfsarbeiten, die das Spital nicht ernsthaft entlasten, und sitzen oft stundenlang herum. Die Pflegenden verstehen selber nicht, wieso wir aufgeboten wurden», sagt ein Armeeangehöriger gegenüber der links-alternativen Zeitung. Er ist einer von den 3'800 Soldaten, die derzeit für die rund 50 Spitäler in der ganzen Schweiz eingerückt sind.
Warum das Spital Thurgau, wo sich der Soldat derzeit im Assistenzdienst befindet, die Armeeangehörigen der Sanitätstruppen angefordert hat, bleibt laut WOZ unklar. Spitaldirektor Marc Kohler antwortet nicht auf Fragen der Zeitung. Der Soldat vermutet einen Fehlanreiz: «Sie setzen uns nun ein und schicken ihre Pflegenden nach Hause, um Überstunden und Ferien abzubauen.» Kurz: Die Soldaten würden als billige Arbeitskräfte genutzt, um das angespannte Budget zu entlasten. Das ruft auch die Gewerkschaften auf den Plan.

Armee wählte die Variante «All in plus»

Armeesprecher Stefan Hofer bittet um Verständnis für den Leerlauf im Assistenzdienst. «Zum Zeitpunkt, als der Bundesrat die Teilmobilmachung der Armee anordnete, war nicht absehbar, wie rasch und in welchem Ausmass das Gesundheitswesen Schweiz und die Kantone auf die Unterstützung der Armee angewiesen sein würden», sagte er der WOZ
Die Armee hatte also weder die Zeit noch die Wahl und bereitete sich maximal vor, so Hofer weiter. Man habe keine Ahnung gehabt, wie das ablaufen werde, sagte auch Brigadier Raynold Droz am Samstag gegenüber den Medien. «Wir hatten keine Zeit und keine Wahl», sagte der Stabschef des Kommandos Operationen. Darum habe man das Maximum getan. «All in plus» hiess die von der Armee gewählte Variante. Derzeit werde aber geprüft, wie das Gleichgewicht zwischen Ressourcen und Nachfrage verbessert werden könne.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

KSA: Weiterer Abgang in der Geschäftsleitung

Sergio Baumann ist nicht länger beim Kantonsspital Aarau tätig: Der Betriebsleiter, der zeitweise als interimistischer CEO fungierte, hat sein Büro bereits geräumt.

image

Jede Notfall-Konsultation kostet 460 Franken

Notfallstationen werden immer öfter besucht. Eine Obsan-Studie bietet neue Zahlen dazu. Zum Beispiel: 777'000 Personen begaben sich dreimal in einem Jahr auf den Spital-Notfall.

image

Zürcher Krankenhäuser und Versicherer haben sich geeinigt

Nun ist ein jahrelanger Streit beendet: Die Zürcher Spitäler vereinbaren mit Helsana, Sanitas und KPT einen Taxpunktwert von 93 Rappen - ein Kompromiss.

image

Balgrist-Team behandelt im Spital Männedorf

Das Spital Männedorf hat eine neue Klinik für Orthopädie und Traumatologie. Das Team kommt vom Balgrist.

image

Solothurner Spitäler: Bericht zu CEO-Lohn bleibt vorerst geheim

Noch ist unklar, ob Zusatzzahlungen an den Ex-Chef der Solothurner Spitäler rechtens waren. Der Bericht dazu ist da - aber nicht öffentlich.

image

Kispi wegen «Riesenfete» kritisiert – doch die Köche arbeiten gratis

Das überschuldete Kinderspital Zürich feiere seinen Neubau mit einem Michelin-Sternkoch, schreibt ein Online-Medium provokativ.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.